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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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Städtchen begleitet ihn beim Abschied. Er kommt dann zum Rabbiner, der ihn mit offenen Armen empfängt, ihn über das Befinden seiner Familie aussragt, ihm Ehren erweist, und wenn er dann nach acht Tagen nach Hause kommt, welche Freude, welcher Empfang! Nach dem unabänderlichen Lebenslauf kommt er dann im Jenseits vors Gerickit. Was warst Du? Ein Choßid. Zu welchem Rebben bist Du gefahren? Zu N. N. Man sieht nun seinen Lebenslauf durch und sagt da: Laut diesem Rebben konntest Du Wohl nicht besser sein. Geh' in's Paradies. Dem jungen Mann, der zu Euch fährt, hingegen, der den Argwohn des Schwieger­vaters erregt hat, daß er die weite Reise unternehmen will, da er sich durch Anleihe­versuche bei Bekannten verdächtig gemacht hat, läßt dieser Tallis und Tefilliu und die Sabbathkleider mit Beschlag belegen. Er gesteht die Absicht ein und den festen Willen, bekommt nichts mehr zu essen und muß im Bethamidrasch schlafen. Das dauert vier Wochen, bis er sich die allernöthigsten Weggroschen verschafft und ins­geheim durchbrennt, von den Verwünschungen aller Schwiegermütter und Basen des Städtchens begleitet. Der Weg ist weit, schwer und mühevoll. Er fährt 50 Meilen in vier Stunden zu Wagen; das klebrige geht er nämlich zu Fuß. Er kommt und muß vier Wochen warten, bis er an die Reihe kommt, um vorgelassen zu werden. Er hat keine Lust, aus Eurer Nähe zu weichen, und so vergehen Monate, bis er zum Abschiede vorgelassen wird. Er hört weder Komplimente noch Ehren, und ist doch überglücklich, wenn Euer Blick auf ihn fällt. Er muß nun nach Hause in banger Erwartung des Empfanges der seiner harrt. Er schlägt sich wieder durch und schleicht sich in's Bethamidrasch, wo er vier Wochen die harte Bank zum Lager hat, bis der Zorn der Schwiegermutter sich gelegt hat und man ihn mit Haß und Verachtung wieder in die Häuslichkeit aufnimmt. Es dauert nicht lange, und die Sehnsucht, Euch wiederzusehen, läßt ihm wieder keine Ruhe. So wiederholt sich der Kreislauf, bis er ins Jenseits kommt. Dort fragt man ihn: Wer war Dein Lehrer? Und als er Euren Namen angiebt, sagt man ihm:So! und da hast Du Dich mit niedrigen Dingen abgeben können? Fort in die Hölle!"Nun!" sagte R. Israel,was antwortest Du, Jossel, auf deine Frage?"Ich sage," antwortete Josoel,daß unsere Hölle angenehmer ist, als das Paradies der Ersteren."

halte die Schüler in respektvoller Entfernung", hinterließ R. Juda Hanaßi seinem Sohne und Nachfolger. Das wußte auch R. Israel zu halten, der seinen Leuten bei aller Opferfähigkeit und einem gesunden Frohsinne die strengste, soldatische Disziplin einzuflößen verstand, die den Menschen macht. Den Satz Spr. 27, 5 übersetzt der Choßid mit leichter Nuance:Gut ist zur Schau getragene Strenge, wenn darunter die Liebe verborgen ist." Sein Herz war so voll von Liebe und Sehnsucht zu Israel und zum Himmel, daß es, wie der Arzt Dr. Jakob Rappoport sagte, dem glühenden Heimweh erlag. Er selbst sagte:Ich bin das s7^N, das Zentrum der Volksseele, trotzdem ich die ganze

Nichtigkeit meines Jchs kenne, HX und wenn ein Jude irgendwo

leidet, so empfinde ich es innerlich mit."

Aber er war weit entfernt davon, sich oder Andere über die Niedrigkeit der Menschen und der Generation zu täuschen, und pflegte zu sagen:Ich möchte meinen Eltern einen Vorwurf daraus machen, daß sie mich in eine so niedrige Generation versetzt haben". Einen in dieselbe Richtung zielenden Ausspruch findet man in seiner Erklärung des Talmudwortes:Die Ernährung der Menschen bereitet ebenso viele

Schwierigkeiten, wie das Spalten des Schilfinceres". Wie kann der Talmud dem Schöpfer'Schwierigkeiten znmuthen, da chm das eine doch ebenso wenig schwer fallen kann, wie das andere. Die Antwort sei in dem Bibelworte zu suchen: Das Meer