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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
Entstehung
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der Erstere am 13. Kislew 1875, also wiederum fast auf den Tag, und der jüngste R. Mordcha von Husiatyn genau nach vollendetem 60. Lebensjahre, geboren am 35. Tage des Omer 1834, gest. am 37. Tage desselben 1894, das Zeitliche segneten.

Man hat übrigens wenig Beispiele von Menschen wie diese, bei denen von 1>er Geburt an das Seelenleben eine so ausgesprochene Herrschaft über das Körperliche bekundete. Die Erreichung der Fähigkeit, den Körper durch ein unglaubliches Minimal­quantum täglicher Nahrung bei voller Rüstigkeit zu erhalten, wird nur noch in diesem Maßstabe von ihrem Urgroßvater R. Abraham Fastower, ferner von R. Löb Sores und im Mittelalker von R. Juda Choßid (um 1240) berichtet. Die schärfste Kontrolle mißtrauischer Argusaugen hat dies bestätigt, und als R. Abraham Jakob Friedmann, gebeugt durch den Verlust zweier unersetzlicher Familienglieder, starb, da bezeugte der Dozent der Krakauer Universität Ludwig Parenski, der an sein Krankenlager berufen war, daß er ohne irgend welches organische Defekt buchstäblich Hungers gestorben sei, nachdem der an die kleinsten Nahrungsdosen gewöhnte Körper in Folge der Gemütsdepression auch deren Ausnahme verweigerte.

Was diese Art friedlicher Askese, im Gegensatz zu der Methode der Alten, auf ein zu-Tode-Fasteu ein zu-Tode-Essen folgen zu lassen, für die Harmonie der Seele bedeutet, das konnte man bei diesen Männern beobachten. Die vollständige Herrschaft des Gedankens über den Pulsschlag des Herzens, welche R. Senior Salman theoretisch als das zu erstrebende Ziel der Lebensweisheit aufgestellt hat, war hier praktisch erreicht. R. Israel Koziniecer erklärt den Unterschied im Seelenleben des Zadik zu dem des gemeinen Mannes durch dieDimension des Gedankens", der bei ersterem ungleich größer ist wie bei letzterem. Der gewöhn­liche Mensch ist einem mit jedem Augenblicke wechselnden Gedankenstrome unterworfen. Wahrscheinlich spielt dabei die thierische Energie der vom Herzen an die Gehirnwände schlagenden, deren Denklhätigkcit zerkleinernden Blutwelle die Hauptrolle, so daß selbst der große Gelehrte sich nur durch die Fähigkeit der Reproduktion einer großen Anzahl kleiner Gedankensplitter hervorthut, die er zu einein Ganzen vereinigt. R. Israel sagte von seinem jüngsten Sohne R. Mordchai s. A.:Er ist mir insofern überlegen, als er die Fähigkeit hat, einen Gedanken 48 Stunden lang zu halten, was bei mir nur für 24 Stunden der Fall ist." Was man aber unter Festhaltung eines Gedankens versteht, das kann nur der begreifen, der die Einwirkung der Gedanken- thätigkeit auf die Nervenfunktionen bei diesem R. Mordchai persönlich zu beobachten Gelegenheit gehabt hat, worüber später. Darum wird auch die Frage nicht gestellt werden, wieso R. Uri Strelisker vom Festhalten eines Gedankens durch 1000 Tage sprechen konnte. Da nun einmal keine Erscheinung auf esoterischem und heiligstem Gebiete ohne Parallelismus auf exoterischem, profanem, sogar unheiligem zu fanden ist, so sei hier nur bemerkt, daß die Psychologie von einem Brahminen erzählt, der sein Lebenlang in die Betrachtung einer fleischfressenden Pflanze versunken, verbrachte. Das klingt an den Satz 1. Kön. 5, 10:Und es überstieg die Weisheit Salomo's die Weisheit aller Söhne des Ostens (Brahminen) und alle Weisheit Aegyptens" an. Bei R. Abraham Jacob Friedmann verzerrte der Zorn oder der blöde Witz niemals die klassischen Marmorgesichtszüge. Niemals kam ein unbedachtes, niemals ein über­flüssiges Wort über diese Lippen, deren Purpurfarbe, im merkwürdigsten Kontraste zu der edlen Blässe des hageren Antlitzes, die Gluth des Altarfeuers im Herzen verrietst. Der Frankfurter stnioll llumklaell (1648) berichtet in seiner Einleitung auf Grund alter Berichte, von dem nur von Gassenbuben geschmähten Mose di Leon (um 1290), daß man nicht in seine Nähe (TUOX ^) treten konnte, ohne von einem (Bußegedanken) ersaßt zu werden. Ganz dasselbe war bei den .zahllosen Tausenden der Fall, die in die Nähe dieses R. Abraham Jakob s. A.