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der polnischen Verwahrlosung, natürlich unerträglich. Eine Denunziation brachte denn auch den Rabbiner ins Gefängniß zu Czernowitz (1857), und die Untersuchung der Vorgefundenen zahllosen Zettel brachte die Untersuchungshaft ans 15 Monate. Er erlitt also dasselbe Schicksal, wie sein Vater, um nach dieser aufgezwungcnen Einsamkeit mit verdoppelter Seelenkraft seine Stellung wieder einzunehmen. Er saß in Czernowitz mift einem wegen politischer Umtriebe verurtheilten Polen zusammen. Da aus dem Sofa Embleme einer fremden Religion eingestickt waren, wollte er sich nicht setzen, und da die Glocken des anstoßenden Klosters ihn fortwährend störten, stand er tagsüber, die Finger in den Ohren, das Gesicht zur Wand gekehrt, in Gedanken versunken, so daß seinem Unglücksgenossen bange wurde und er um Versetzung in einen anderen Arrest bat, so daß der Rabbiner in freiwilliger Einzelhaft zurückblieb. Eine Schwäche der Füße und eine Knotenbildnng hinter den Ohren blieb ihm zeitlebens von dieser Gefängnißhaft zurück. Er benutzte die Zeit zu einer vollständigen und eingehenden Rekapitulation der 4 Theile des Schulchan Aruch. Sein Schwiegervater, der berühmte R. Ahron Karliner, Sohn des R. Ascher und Enkel des R. Ahron Karliner, der zu den hervorragendsten Schülern des R. Dowber gehört hatte (vgl. den Ausspruch des R. Senior Salman über denselben) hatte sich zu ihm Eingang ins Gefängniß zu verschaffen gewußt. Er fragte ihn, wo er halte, er antwortete: „Bei — OL'N noch nicht." Es verlohnt sich, eine Erklärung
dieses für den Mann und das System durchaus charakteristischen Lapidarspruches zu versuchen. , ''
Sein Ahne^Ni-'Mose Jsserles hat den Satz Ps. 16,8 als Glosse an den Eingang des SkMchan Aruch gestellt. Warum hat dies der Text des R. Josef Karo unterlassen? Sein ülnoicl älv.^cdürim hatte ihm ja dasselbe anfgetragen; er solle darauf bedacht sein, jeden Augenblick den allerhciligsten Namen sich vor Angen zu halten und gleichzeitig bei allen Handlungen sich das Andenken seines Vaters vorzustellen, als ob derselbe jede seiner Handlungen beobachte. Also genau fast dasselbe, was Maimonides im ülora iXadiielllm in dem von R. Mose Jsserles zitirten Satze verlangt, daß man sich bei allen Handlungen an das Auge der Vorsehung des Königs aller Könige erinnere und sich vorstelle, als ob man fortwährend der Beobachtung durch eine Person ausgesetzt sei. R. Josef Karo behielt diese ihm in mehr geheimnißvoller Färbung zngekommene Lehre für sich und seinesgleichen, während er im Schulchan Aruch einen populären Codex für das Volk schassen wollte. R. Mose Jsserles hingegen sah ein, daß seine Landsleute aus dem Schulchan Aruch, der bestimmt war, eine endgültig feststehende Entscheidung aller Streitfragen zu bilden, einen neuen Turnierplatz für unendliche Evolutionen ihres Scharfsinnes machen würden. Deshalb stellte er diesen Satz als mahnenden Hüter an den Eingang, daß das Prahlen mit der Kenntnis; der einzelnen Paragraphen und ihre mechanische Befolgung ebenso werthlos und tadelnswerth sei, wie jedes andere Streberstudium X7L'. Die großen Lehrer der Chaßidim gingen noch weiter. Mit dem Hang zur Kabbala und dem Reize der Heiligkeit und der übernatürlichen Gabe, welche dieselbe bietet, hatten die Frommen diese dem R. Josef Karo vorgeschriebene Vorstellung sich gewaltsam durch Askese und Bezwingung der Körperlichkeit anzueignen gesucht. R. Jakob Josef von Pollenoje geißelt im Doläoi diese Art des Dienstes in scharfen Ausdrücken. Man darf den König nicht gefangen nehmen und in ein düsteres Gefängniß setzen wollen. Das will die Mischnah in Berachot sagen: „Nicht Jeder ist reif, sich den Namen zu nehmen." Und so heißt cs in der Thora (2 B. M. 20, 24): „lieberall, wo Ich Meinen Namen nennen werde," wo aber nicht steht, „wo Du ihn nennen wirst." Man kann sich für diesen hohen Rang vorbereiten, muß es jedoch dem höchsten Willen überlassen, ob sich der geheiligte Name von selbst in die Vorstellung herabläßt. Das ist der Sinn jener Worte: Ich