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sie noch Niemand recht berührt." Das gilt auch wenigstens für die Hälfte des Talmud, den man erst nach Wiederherstellung geordneter Zustände an der Hand der Naturwissenschaften wirklich verstehen lernen wird. (Eine hochwichtige Bestätigung dieses Satzes liefert die Arbeit des Rabbiners I. Guggenheimer in Saarunion, die Vogelnamen in der Bibel, dem es durch langjährige ornitholvgische Studien zum ersten Male gelungen ist, die talmudische Tradition darüber in merkwürdiger Beleuchtung zu zeigen. Bei der programmatischen Wichtigkeit des Gegenstandes will ich nur eines Momentes Erwähnung thun, das die größten Gelehrten in Verzweiflung gesetzt hat. Der Talmud setzt als Reinheitszeichen der Vvgelarten P22X,
eine überflüssige Vogelzehe. Die Kommentatoren schwanken zwischen zwei Erklärungen, nach manchen ist darunter der Sporn über den Zehen, nach anderen die hervorragende Mittelzehe zu verstehen. Im Vergleiche mit der Wirklichkeit entstehen daraus solche Schwierigkeiten, daß zur Zeit der Tossasisien der unmögliche Versuch gemacht wurde, die unerschütterliche Bedeutung des Wortes als „Adler" in Zweifel zu
ziehen. Erst Guggenheimer hat nachgewiesen, daß die Raubvögel alle vier Zehen in Aktivität besitzen, während die reinen Arten unter ihren vier Zehen eine rudimentäre haben, die keiner Dienstleistung fähig, im vollen Sinne des Wortes überflüssig, weder durch Einwirkung auf den Strecker noch auf den Beuger iu Bewegung gesetzt werden kann). Die Einwände, die gegen das neue IVasiisiet vorgebracht wurden, sind zu kindisch, um Beachtung zu verdienen; doch war R. Gerschon zu wenig beliebt und ohne Autorität, um demselben allgemeinen Eingang zu verschaffen. Uebrigens ist das IVeiiolet noch zur Zeit des R. Nachschon Gaon (um 846) im Gebrauch gewesen, und die Benennung, die derselbe dem Tintenfische giebt, stimmt vollständig mit der Sepia unsres Entdeckers. Ich schrieb dies demselben nach der Lektüre seines Buches; leider ist mir die betreffende Notiz vorläufig außer Erinnerung gekommen.
Bon seinen zahlreichen Schriften verdienen nur die rein halachischen Beachtung. Namentlich sein 81ärs ll'uirurn, ein merkwürdiges Unternehmen, den fehlenden Talmud zu dem sechsten Teile der Mischnah, Issiarot, durch einen von ihm genau im talmudischen Style komponirteu Talmudtext zu ersetzen, indem er alle Baraitot und Tossiftot, den ll'orut Uoiwmmi n. a. zu de» betreffenden Mischnoth zusammenstellte. Der berühmte Gelehrte und Gedächtnißkünstler R. Josef Saul Natansohn, Rabbiner von Lemberg, gab seine Approbation dazu und sagte, daß seit 300 Jahren kein ähnliches Werk m der talmudischen Litteratur verfaßt worden sei. (Auch der .Vlaiirv! hatte den gleichen Plan gefaßt, aber wieder aufgegeben). Die litthauischen Rabbiner waren aber besonders erbittert gegen den jugendlichen Wagehals, weil er in unnachsichtlicher Schärfe nachgewiesen hat, daß alle die zahlreichen Korrekturen, die der Wilnaer Gaon am Mischnatexle oder in den einschlägigen Baraitot vornehmen zu müssen geglaubt hatte, unnöthig waren, so daß er die alten Texte wieder herstellte. Diese Vernichtung der Unfehlbarkeit einer solchen Autorität konnten sie ihm um so weniger verzeihen, als er mit seiner wirklich unausstehlichen Grobheit auch den Kownoer'Rabbiner R. Isaak Elchanan Spektor und die anderen ebenso ungebührlich behandelte, wie seine chaßidischen Konkurrenten. In der in seinen Kreisen ererbten unbeschreiblichen Burscheumauier nannte er z. B. den altehrwürdigen hochangesehcnen Trisker Magid, Sohn des R. Mordcha und Enkel des R. Nachum — Leide die ersten unter den angesehensten Rabbinen, — um dessen Anhänger in seinem Gebiete zu ärgern, nicht anders als „Awrohm Mottel Nochum's". Er nahm eine Einladung zu einer Hochzeit von einem seiner Anhänger in P. an, einem Städtchen, das meist von Trisker Chaßidim bewohnt war. Einer meiner Bekannten traf ihn auf der Reise und fragte ihn, wie er es wagte, sich der Eventualität auszusetzen, ob seiner ungualisizirbaren Mißachtung von den Anhängern gehörig durchgebläut zu