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werden. Lächelnd antwortete er: „Ich habe einen Talisman vom Trisker Magid," nnd als der Frager neugierig war, ihn zu sehen, zog er einen geladenen Revolver aus der Tasche.
Der Mann war eine lebendige Illustration des von den Chaßidim ausgestellten Prinzips, daß das Thorastudium allein, selbst in seiner schärfsten Vollendung, noch lange nicht den Menschen macht.
Er starb im Alter von 52 Jahren i 1893) als einer der bestgehaßten Männer, der unter einer weniger excentrischen Leitung seine ganz besonderen Fähigkeiten auf ruhmreichste Weise hätte entwickeln können. —
Außer dieser Abzweigung gab es eine zweite, welche sich an den Sohn des R. Mendel, R. David, hielt. Das Volk hat überall und zu allen Zeiten dieselbe Eigenschaft, von einem Extrem ins andere zu verfallen. Diese Superklugen hatten die Alten verhöhnt, weil sie aus Pietät das Haus des großen und geliebten Lehrers nicht fallen lassen wollten und ohne allzu strenge Kritik ihre Liebe auf dessen Kinder übertrugen. Sie hatten dabei ganz unerwartet in den meisten Fällen ihre Rechnung in noch höherem Maße gefunden. Jene hingegen hatten sich durch blendende Schlagworte ehrgeiziger und schlauer Streber zur Verhöhnung dieser Erben großer Namen Hinreißen lassen und verfielen nunmehr in das entgegengesetzte Extrem. Dieser Verein, dessen Ursprung und Tendenz den Jüngeren niemals recht zu Bewußtsein gekommen, war ja im Grunde ein Protest gegen den Chaßidismus und sein Prinzip der Unterordnung unter die geistige Ueberlegenheit eines durch die Weihe (Lowiiolm) vom Lehrer in eine höhere Rangordnung erhobenen Zaddik. Man flunkerte mit dem demokratischen Prinzip der Gleichheit Aller, und da es nun einmal ohne nominelles Oberhaupt in der Heerde nicht angeht, wählte man einen beliebigen Leithammel, auf den man dann in angeborenem Autoritätsglauben eine kritiklose blinde und fanatische Verhimmelung übertrug, die mau mit der Unantastbarkeit der Burschenschaft zu entschuldigen wußte. So rächt sich der vornehme Geist wahrer Pietät, inniger Religiosität und stiller Weisheit an dem pöbelhaften Streberthum überkluger Scharfmacher. Ein lustiger Bruder traf einen alten Bekannten, der sich bei einer solchen Gelegenheit einem der alten Vereine mit anerkanntem Lehrer wieder angeschlossen hatte. Er stellte ihn darüber zur Rede, und als er ihm antwortete, daß es seinen Gefühlen widerspräche, sich einer Null unterzuordnen, sagte er ihm: „Du Tropf, soll er ein Rettichschwanz sein, Chewra bleibt Chewra/" Bei einem Späteren, der als Jüngling mit Gewalt auf den Stuhl eines berühmten Großvaters gesetzt wurde und sich dagegen sträubte, unausgesetzt versichernd, daß er nicht die mindeste Befähigung dazu spüre, fand diese übrigens lobenswerthe Ehrlichkeit bei Manchen Glauben, die sich daher anderswo umsahen. Zwei junge Leute, von denen der eine abgegangen, der andere zurückgeblieben war, trafen nach der Trennung zusammen. B.: Warum bist Du weggelaufen? A.: Nun, er sagt doch selbst, er sei kein Rebbe. B.: Was horchst Du den Smark! As er is, is er.
Zu jener Zeit (1869) hingegen, gab es noch bedeutende Männer aus der großen Zeit.
Da war R. Isaak Mein, Schwager des Kotzker, der, bis zu seinem 17. Lebensjahre beim Koziniecer Maggid aufgezogen, von diesem im Talmud unterrichtet, in dessen paradiesischer Atmosphäre gelebt hatte. Durch seinen Schwager zu R. Bunem geführt, dessen blendender Geist ihn anzog, nahm er an den Extravaganzen der Chewra keinen Theil und lebte bis zu seinem 62. Lebensjahre nur seinem Studium und seiner Frömmigkeit. Da selbst die misnagdischen Gelehrten eingestehen, daß ein so unergründlicher Scharfsinn, wie seine Schriften ihn zeigen, seit 100 Jahren vor ihm nicht nachweisbar wäre, so konnten ihm auch die kecksten Burschenschafter nichts anhaben, trotzdem er als Griesgram ihren Beifall nicht hatte. Als nun nach dem