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Antwort, muß man die Begriffe Furcht und Liebe in ihrer Wirklichkeit kennen. — Die populäre Phrasenhaftigkeit war ihm ebenso zuwider, als das frömmelnde Streberthum angehender Himmelsschwärmer. Das einfachste Wort in seinem Munde war entzückend, sein Witz blendend und tödtlich. Unwissende und Pöbel duldete er nicht, so sehr sich dieselben in seinen Anhang zu drängen bemüht waren. Sein Thorasagen bei Tische war ebenso unvergleichlich, wie sein wunderbarer Gesang und sein über alles erhebender Gebetvortrag. Der als Büßer bekannte Dr. Bernhard von Piotrkow, Schüler des R. David und des Lubliner Rabbis, Pflegte ihn im Alter zu besuchen. Er sagte, wie ein großer Fisch zuweilen aus dem Meere in ein kleines Binnenwasser verworfen wird, so paßt dieser Mann ganz und gar nicht in den Rahmen der heutigen Generation. Die merkwürdigsten Manifestationen einer vom Körper tvie von einem Kleide unabhängigen Seele von unbeschreiblichem Glanze konnte man bei ihm zu den verschiedensten Zeiten auf ganz unerklärlich verschiedene Art beobachten.
Wenn die bildnerische Phantasie eines Künstlers sich vergeblich abmüht, ein treues Bild Ahrons oder eines Hohenpriesters seiner Nachkommenschaft zu entwerfen, so war der Eindruck, den die schöpferische Kraft seiner Seele hervorbrachte, ein derartiger, daß mit der Vorstellung sich die Erkenntniß einstellte, so und nicht anders mußte der Hohepriester ausgesehen haben. Er war in seinem Rayon der letzte jener merkwürdigen Männer, von denen so viel Unglaubliches und Unbegreifliches erzählt wird. Aber was ich mit eigenen Augen unter strengster Prüfung mit Ausschluß jeder Hallucination gesehen und gehört habe, vernichtet jede Skepsis. Die unauslöschlichen Eindrücke verschwinden nicht einen Tag aus dem Gedächtnisse, selbst im trübsten Schlamme der wogenden Zeiten. Sein Auge durchschaute Zeit und Raum. Es hieße profanisiren, die Einzelheiten zu schildern. Nur eines geringfügigen Spruches will ich erwähnen, weil derselbe in mancher Hinsicht charakteristisch ist. Am letzten Luftbad Lofturvaft vor seinem Hinscheiden, das er Monate früher voraussagte, saß er nach der Habdalah und besprach Weltverhältnisse: „Es sitzen heutzutage Ochim und denken 6ftoeUinau8 aus, von welchen der weise König Salomo keine Ahnung hatte."
Man muß dabei in Rechnung ziehen, daß die Rabbiner der alten Schule, namentlich sein Zeitgenosse R. Chaim Halberstamm, überhaupt keine fremde Weisheit, am allerwenigsten der Neuzeit, anerkannten, und von derselben etwa mit derselben Geringschätzung sprachen, wie irgend ein Mollah. Dabei soll man nicht glauben, daß er die profane Wissenschaft kannte oder begünstigte. Er kannte weder das ABC noch wollte er es in die Hand nehmen. Das hinderte ihn aber eben so wenig wie den Balschemtow, auf die geistige Atmosphäre der Völker seinen Blick zu richten.
Ebenso durchschaute er alle Zaddikim, ihre Systeme, ihre Rangstufen, auch wenn er sie nicht persönlich gekannt hatte.
Ich war einmal Zuhörer eines Gespräches mit einem Jugendfreunde, worin R. Salomo, wie ich aus einigen scharfen Ausdrücken schloß, die Gründe suchte, warum er (um Streitigkeiten zu vermeiden) im Alter gezwungen sei, sich einem Rebbe durch wiederholten Besuch unterzuordnen. Er hielt dies für eine Strafe dafür, daß er in seiner Jugend sein Studium nicht Preisgeben und die Gefahren der paßlosen Reise nicht auf sich nehmen wollte, um die damaligen Großen kennen zu lernen. Er zählte mehrere auf, darunter sogar den auch von ihm besonders hochgehaltenen R. Scholem Rokeach von Belz, die ihm aber, da auch ihr Weg vornehmlich der des Studiums war, noch keinen genügenden Grund zur Unterbrechung seiner Studien boten. Nur daß er den R. Hirsch Rymanower vernachlässigt habe, der höher als jene, mit den Uomäcft ftftvorim und LefteWoft (iicidiin diente; aber der Russe wollte mir keinen Paß anvertrauen, damit ich ihm seine Grausamkeiten nicht anklage. Der