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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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Ausdruck war für mich völlig unverständlich. Erst viele Jahre später hörte ich, daß der R. von Sadagora, R. Abraham Jakob, den Unterschied zwischen R. Hirsch nnd den anderen dahin charakterisirte, jene wären Zaddikim, R. Hirsch Hingegen der

llo88oä OInm, gewesen. Sein Bruder, R. Nachnm Friedman aus Stcfanesti, erklärte bei einer anderen Gelegenheit, was unter ^nciäiü Ü688oä OInm zu verstehen sei, ein Mann, bei dem nicht nur Kopf und Herz, sondern jedes der Roinäed Gott diene.

Wie allen wahren Zaddikim war ihm das Herabsteigen zum Volke eine aufgezwungene Bürde, der er sich nur aus Mitleid unterzog. Dabei hatte er von der kecken Burschenschaft muthwillige und pöbelhafte Anfechtungen zu erleiden, die ihm die Bürde noch unerträglicher machten, bis ihnen sein Jugendfreund R. Isaak Meir energisch ein Ende machte. Bedürfnißlos, geschworener Feind des Geldes und der Ehrenbezeugungen, setzte er seine eigenen Kinder dem mindesten Juden nach. Der Nepotismus derEnkel" war ihm äußerst zuwider; aber er fand einen würdigen Nachfolger in seinem jüngsten Sohne, dessen Söhnen dann ans Pietät die Nachfolge übertragen wurde.

Seine Demnth und Nichtachtung seiner selbst war unbeschreiblich. Er

sprach niemals über einen lebendest Zeitgenossen, aber man konnte zuweilen die schärfste Selbstkritik gegenüber alten Freunden belauschen, lim so merkwürdiger war mir ein Ausspruch, den ich mit einer ganz kleinen Hörerzahl am Sabbath Chanukka 1862 zu hören Gelegenheit hatte. Es war am Freitag Abends bei seinem kleinen Tisch in seinem Schlafzimmer. Er besprach die Erzählung der Geburt von Percz und Sarach. Er, der selbst ein lebendiger Sohar war, schickte den Sohar von ?. keiwniotoiw voraus, der in den schärfsten Ausdrücken diejenigen tadelt, die in der Thora nur profane Erzählungen sehen, ohne den tieferen, heiligen Sinn der göttlichen Lehre kennen zu wollen. Seine Augen leuchteten dabei, wie die Edelsteine im Brustschild des Hohenpriesters. -N Die Prophetie wird von dm Propheten selbst -lall genannte (Ez. 1, 3, 3, 23 u. s.) Znrnvd aber ist der Zaddik, der die Finsterniß des Golus durch denrochen Faden" 21N der Thora und des Gebetes erleuchtet, vgl. 'PN'MDL' I21N2 und 0^2"^ ^2»N2 Der

Sohar sagt, daß es ohne die Prophezeiungen Jesaia's überhaupt nicht möglich gewesen wäre, das Golus auszuhalten. Dieses Licht leuchtet also im Golus, 11^2^22 von derHand" der Propheten. Wenn die Hand aber weggeht, ist auch nicht zu verzweifeln, dann kommt eine andere Kategorie von Zaddikim an die Reihe (Lorach, deren ganzes Streben darauf gerichtet ist, durch ihr Gebet das Golus zu durchbrechen und die Erlösung herbeiznführen. Nach diesen Worten streckte er die Hand aus:So lange Ihr diese Hand noch sehet, habt Ihr nichts zu fürchten.

Was dann kommen wird, soll kommen, aber es möge sein mil liaedmin (Erbarmen)!" Niemand hatte eine Ahnung, was diese in seinem Munde unerhörte Aeußerung bedeute. Ich reiste nach B. zurück, wo ich lernte. Am Purim war das Gerücht, daß Sträflinge aus dem Gefängniß ausgebrochen seien, welche die Kutsche des reichen Bendit Elkoscher überfallen hatten.

Das war der Ausbruch der polnischen Revolution mit allen ihren Schrecknissen, die er gesehen hatte.

Sein Jugendfreund nnd Mitschüler bei R. Meir Apter war R. Salomon Frankel aus Patzanowo in Äleinpolen, einem durch dasPatschenower Mischpat" im Mittelalter berühmten Städtchen. (Als nämlich einmal der Schmied des Städtchens zum Tode verurtheilt war, änderte das Gericht, da es nur einen Schmied daselbst gab, das Urtheil dahin ab, daß an seiner Statt einer von den zwei Schlossern des Städtchens gehenkt wurde.)