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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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besser sei, den Knaben zu Hause religiös zu erziehen, als zum taubstummen Reform­juden ausbilden zu lassen. Sie ließ die Karte verfallen, fuhr von Leipnik nach Wien zurück, nahm das Kind wieder zu sich und fuhr mit ihm direkt nach Wiclo- pole zuin Rabbiner, bei welchem sie 3 Wochen des Monats Elul zubrachte. Vor dem Neujahrsfeste 1858 sagte er ihr, sie solle nach Hause fahren und auf Sabbath Chanukkah wiederkommen. Sollte er jedoch dann nicht mehr unter den Lebenden weilen, so solle sie am Freitag vor dem Sabbath Chanukkah auf sein Grab kommen. Der Rabbiner, der seinen Tod für das Jahr 1858 vorausgesagt hatte und das letzte Jahr bei jedem Tische den ersten Satz des Talmud zu reeitiren Pflegte: ll'g.vL llöolln lloö, tunu nüwllo lloö (Wo bleibt der Tana? er bleibt in Krakau) starb am 13. Kislew nachdem er sich dorthin, als an seine letzte Ruhestätte, begeben hatte und wurde neben dem Nuor rvu86ii6M686ii zur ewigen Ruhe gebettet. Der erste Sabbath nach der Trauerwoche war Sabbath Chanukkah. Die Frau ging nun am Freitag frühzeitig hinaus und weinte bis 11 Uhr, natürlich ohne daß ihr Jemand antwortete. Als sie znrückkam, stand der Kleine im Tabakladen und redete sie an: Mntter, wo warst du so lange, es waren viele Käufer da. Seit damals war er im vollständigen Besitze der Sprache bis zu seinem vor einigen Jahren erfolgten Tode. Die Sache erregte in der Krakauer Gemeinde um so größeres Aufsehen, als seine Zahlreichen Gegner, die Anhänger des ihn aus Neid aufs heftigste verfolgenden Neusaudezer Rabbiners, ans ihrer Niedergeschlagenheit und Ueberraschung kein Hehl machten.

Aus seinem Sterbelager, an welchem viele meiner ehrenwerthen Freunde weilten, die einen unauslöschlichen Eindruck davon ihr Lebenlang bewahrten, sagte R. Salmeu, daß die schweren Verfolgungen, das Elend und die Krankheiten, denen er ausgesetzt war, ihre Ursache darin hätten, daß er einst als Bejaminite ein, wenn auch nur passiver Gegner Davids gewesen sei.

Von ihm rührt die Erklärung der Begebenheit Davids mit Bathseba in einem von der talmudischen Berichtigung abweichenden Sinne her,» daß Uria, der Chetitcr, ein Nichtjude war, wie dies übrigens auch im Talmud Kiduschin 76 ein Amora annimmt, auch der vom Alschech in Nisolllo Luionro citirte Midrasch bei Goliath. Daß derselbe, wie dies Maimonides, Uilellot -1Wurc; Uinii 13 Ende, andeutet, gegen das Davidische Gesetz, keine Proselyten anzunehmen von dem Laien­gericht des rabulistischen Gegners, Achitophel, dessen Enkelin Bathseba er heirathcte, dennoch als Proselyt ausgenommen wurde, so daß er nach Maimonides dort, für dessen Sentenz kein Kommentator eine Quelle zu finden weiß, eine Art Zwitterstellung einnahm, unentschieden, ob ihm ein eheliches Recht in Israel zugesprochen werden könne oder nicht. Daher Davids Berechtigung, die von dem Chetiter usurpirte Frau zu ehelichen und sein Schwanken, offen gegen den Gelehrtentrotz Achitophels aufzutreten. (Diese Erklärung findet sich übrigens in der Hauptsache bei R. Mose Zakuto zum Sohar ?. 86rs8oll1tii 9.)

, lieber sein Verhältnis; zur Kabbala äußerte sich R. Salinen, daß er nie mehr als das erste Blatt des Clligglin gelernt habe. Dennoch war er ein tiefer Kenner derselben nach antikem Style und Pflegte in der frühesten Morgenstunde, wenn Alles schlief und der Kopf besonders frei war, zuweilen durch eine Stunde ein oder zwei Worte als Kommentar zum ll'oirwr Dakoind niederznschreiben. Vor seinem Tode sagte er: Ich möchte diese Schrift hinterlassen, damit mein Gegner erfahre, mit wem er zu thun gehabt, aber ich habe mein Lebe lang keinen i>Ü 206 lla.tiu (Triumph) ausführen wollen, und so befahl er, sie ihm ins Grab mitzugebeu. Den obenerwähnten R. Moses, der ein sehr rühriger Kabbalist war, wies er in einem sehr geistreichen Witzworte ob seines gänzlichen Mangels an tieferem Verständnisse zurecht. Das Ansehen, das er bei den angesehensten Männern des