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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
Entstehung
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Zeitalters, bei R. Hirsch Rymmiower, R, Israel Rosianer, R. Schalem Beizer und R. Meir Przemyslaner genoß, entschädigte ihn hinlänglich für die Angriffe seiner wcstgalizischen Gegner, denen feine alle verdunkelnde Popularität ein Dorn im Auge war. In der Nacht vor seinem Tode erzählte er, daß R. Kalman Halevy Epstein (Mnor rvL86liein686li) einst bei seinem Vater auf der Reise von Koziniec über­nachtete und mit ihm, der damals ein fünfjähriger Knabe war, im Bette schlief. Als er erwachte, sagte er: Mit dem Knaben ist gut zu ruhen. Die Umstehenden hörten aus dieser Erzählung den Wunsch heraus, neben diesem großen Manne zur Ruhe gebettet zu werden, was er in seiner Demuth in einer fremden, großen Stadt nicht offen zu fordern wagte. Sein Wunsch wurde erfüllt. Das Andenken dieses aus­gezeichneten Mannes ist noch heute im Volke in lebendiger Erinnerung.

Vollmond und Mond finsterniß.

Das Programm des Chaßidismus hatte der Balschemtow in dem Namen nicdergelegt, den er der neuen Organisation gegeben: NONdie Güte" an Stelle des atavistischen HNder Strenge", durch welche das Mittelalter außerhalb und innerhalb des Ghettos das Solidaritätsgefühl der Juden wach zu erhalten bestrebt gewesen. Der hohe Geistesflug, die wunderbare Ethik, die geläuterte und gehobene Emotion aller edlen Triebe des Herzens, die er bis in die niedersten Schichten des unter beispiellos gedrückten Verhältnissen lebenden Volkes zu verpflanzen gewußt hat, werden erst von späteren, vorurtheilslosen Forschern gewürdigt werden können.. So war es ihm und seinen zielbewnßten Nachfolgern gelungen, in dem Chaos wirr durcheinander gelagerter, einander abstoßender Individuen einen harmonischen Einheitsstrom magnetischen Seelenlebens herznstellen, das Ideal des R. Chasm ben Atar verwirklichend, die vielfachen Verzweigungen der Volksseele zur Einheit zu bringen. An die Stelle der kleinlichen inneren Wirren in den einzelnen Ghetto­gemeinden und unter einander, welche der Verfasser des Xis stnlrnr, der Prager Rabbiner R. Efroim Lenezhtz in allegorischer Anwendung des Dornbusches so drastisch schildert, war ein großes einheitliches Volksbewußtsein getreten, daß sich trotz der trostlosen Verkehrswege in mühevollsten Wanderungen von einem Ende des großen östlichen Exilgebietes bis zum andern bethätigte, die entferntesten Elemente zn einer Familie vereinend. Die mannigfachen Gegenströmungen, wie der Abfall des Westens, die hartnäckige Gegnerschaft Litthanens, die verschiedenen neuen Unterströmungen im Gebiete des Chaßidismus selbst, brachten nur neuen Reiz und temperamentvolle Anregungen in das Getriebe.

Die Familienangehörigkeit der acht Söhne des R. Mordcha Czcrnobiler mit ihren verwandten sechs Söhnen des R. Israel Rozianer (an die Stelle des verstorbenen Erstgeborenen war dessen Sohn R. Isaak in Behnsch in der Moldau getreten), denen die besten Anhänger der älteren Rabbiner zuströmten, schuf ein enges Band um Hnnderttanscnde.

Ohne bestimmte Verabredung, wie durch unbewußtes Uebereinkommen erhob sich über Allen als anerkanntes Oberhaupt die hehre Gestalt des R. Abraham Jakob Fried mann von Sadagora. Im klassischen Lande des Schmutzes, das sich an den Gürtel anschließt, der von Irland im Westen über Südfrankreich, an das Lazzaroniland zu den Ostslawen hinüberreicht, machte schon seine Peinliche Reinlichkeit, welche R. Pinchas ben Jair als den Anfang aller.Heiligkeit fordert, einen überraschenden Eindruck. Die wahrhaft fürstliche Würde und altorientalische Vornehmheit jedes Schrittes, jeder Geste, die Goldwage jedes Wortes stand in engster Harmonie mit der stillen Würde und Erhabenheit des Gottesdienstes in der neu erbauten formvollendeten Synagoge, in welcher man sich beim Vorträge des