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Gebetes und der Thora in die Zeit der Alten vor fünf Jahrhunderten zurückversetzt fühlte, deren Hoheit sich der Vorstellung mit solcher Lebhaftigkeit ausdrängte, als hätte mau sie im Gedächtnisse miterlebt. Die Unordnung, die im Laufe der trüben Jahrhunderte eingerissen war, die Respektlosigkeit des plaudernden Pöbels, welche an R. Lipmann Heller (To88glot ckoin torv) in einer Traumfrage als die Ursache der Katastrophe von 1648 angegeben wurde, wie R. Jakob Josef II in seinem Werke ^ berichtet, war zwar durch die innige und bei den großen Chaßidim einen hinreißenden Eindruck hinterlassende Ekstase beseitigt worden, aber mit dem Verschwinden der Großen hatte sich der Nachahmungstrieb derselben bemächtigt, und Zerrüttung und Verunstaltung hinterlassen.
Dazu gesellte sich die neue Unsitte der polnischen Chewra nach Kotzker Manier, das Gebet auch an den höchsten Festtagen in einer halben Stunde ohne Sang und Klang durchzupeitschen, nachdem man sich durch stundenlanges Lernen oder Nachdenken eine N12N (Vorbereitung) geschafft, das heißt, über seine Unfähigkeit, die richtige Sammlung zur Andacht zu finden, hinweg getäuscht hatte. Bei diesem Rabbiner und den weiten, ihm verwandten Gesinnungskreisen trat das Gebet wieder in seine Rechte mit dem ihm durch den Balschemtow und seine großen Schüler gesicherten Vorrange. Man wurde nicht müde, lautlos dem stundenlangen stillen Gebete dieser Männer in ungestörter Andacht zu folgen, deren innere, durch keine körperliche Bewegung verrathene Andachtsgluth die Massen in Stimmung hielt. (Dre stille Schmone Eßra zu Neilah dauerte einmal 9 Viertelstunden.) Ebenso die idiggnuim des Lulab, denen schon in der Mischnah eine so hohe, geheimnißvolle Bedeutung eingeräumt ist, der letzte Rest des eigentlichen Tempeldienstes. Als einst der jüngste Sohn des R. Israel, R. Mordcha Feiwisch in Strissow (zuletzt Husiatym) bei stundenlanger Anstrengung sich räusperte, bedeckte sich der Ethrog durch den Hustenanfall mit Blut, ohne daß er es merkte.
Dieser Jüngste war in einer Beziehung der Merkwürdigste unter Allen, weil im Gegensatz zu der Verborgenheit seiner Brüder sein inneres Seelenleben durch die feine Alabasterhülle seines Körpers der Beobachtung weit näher lag. Geboren am 35. Tage der Sefira (20. Jjar 1836) nannte ihn sein Vater gegen die Sitte, welche das Benennen nach Lebenden verbietet, Mordchai nach seinem Großonkel R. Mordchai Czernobieler, welcher merkwürdig genug, 2 Jahre später an demselben Tage starb, mit Berufung darauf, daß der 87 jährige Greis in seinen Gedanken schon seit Jahren im Jenseits weile und kaum unter die Lebenden zu rechnen sei. Den Namen Feiwisch legte er ihm nach seinem Urgroßvater, dem Schwiegervater des R. Abraham Ugingl'sost bei, dem Verfasser des Ilmelmat 6sts.estg.nUiu, von welchem stloäg dsiestnckg schreibt, er sei eine einzigartige Autoritätin Tsstsrot, wie s. Zt. der Amora Rabba bar Nachmani. Einer der berühmtesten Talmudisten und Gedächtnißmenschen des Jahrhunderts, R. Jakob Weidenfeld von Grzymalow, erzählte mir auf mein Befragen, wegen einer Aufsehen erregenden Entscheidung in Üilestst Aistu'g, die der jugendliche R. Mordchai Feiwisch ganz unerwartet enuncirt hatte, daß auch er durch das Zusammentreffen mit einer tiefen Sentenz des Rgstsä überrascht worden sei, umsomehr, als man jenem praktisches Talmudstudium nicht zugetraut hatte. Ich habe Gelegenheit gehabt, seine merkwürdige Erscheinung bei Tische viermal zu beobachten. Man sah das jene von Oben kommende Furcht, von welcher R. Dowber spricht, in welcher seine Hand in unaufhörliches Zittern gerieth und ein der Agonie ähnlicher Zustand eintrat, in welchem die Anästhesie des wie eine Marmorsäule Dasitzenden so deutlich sichtbar war, daß eine Fliege, die sich auf die Hornhaut des Auges, von welchem der nach oben gerichtete Augapfel kaum sichtbar war, setzte, keinen Nervenreiz verursachte. Das ist die