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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
Entstehung
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373
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Mann war in seiner Jugend der Lieblingsschüler des berühmten R. Jesaia von Przedborz, der es dem R. Bunem von Przysucha nie verzeihen konnte, daß er ihm seinen Liebling, auf den er große Hoffnungen setzte, durch seine Ueberredungskunst weggekapert hatte. Er blieb den Traditionen der alten Lubliner Lehrerschule auch in dem neuen Verein treu und hielt sich bescheiden im Hintergründe, als die jungenWilden" unter der Führung des Kotzker ihre neue Burschenschaft gründeten, welche dann R. Isaak Meir wieder in gelassene Bahnen zurückzuführen bestrebt war.

Als Letzter von den Vorzugsschülern des R. Bunem zurückgeblieben, erinnerte man sich dann an ihn, war aber nicht wenig erstaunt, als er gegen alle Erwartung der kecken Superklugen als regelrechter Wunderrabbi der alten Schule auftrat und so manchen Kartenheld und Schnapscapitain das Gruseln lehrte. Er hat sehr viel dazu beigetragen, um die Scheinfrömmigkeit, die sich an die Stelle der früher zur Schau getragenen Leichtfertigkeit eingeschlichen hatte, zu entlarven und auf den geraden Weg zurückzuführen.

Leider gelang es ihm nicht, sein Vorhaben der Einigung der Massen unter dem gemeinsamen Oberhaupte durchzuführen.

Diese Zeit glücklichen, von idealer Begeisterung getragenen religiösen Volks­lebens im unbeachteten, verborgenen Zentrum des Judenthnms zeigte auch an der äußersten Peripherie die Formen des seit 1848 stetigen Aufschwunges in den materia­listischen Kreisen der blutsverwandten Juden des Westens. Ohne die erwarteten Katastrophen besorgte die Weltgeschichte ihren Kampf gegen das Mittelalter in ge­räuschlosem Schritte. Während noch Kallir am 2. Tage des Rosch Haschanah singt: 1212» WV1 21 112 1^1 >112 war es der Jude

Jacob Segra aus altem spanischen Geschlechte, der am Nenjahrstage 1870 an der Spitze der Truppen des geeinigten Italiens, durch die ?ortn Illn einziehend, von Rom Besitz ergriff. Aber wie im Jahre 1648 mit Abschluß des 30jührigen Krieges der Horizont der jüdischen Geschichte sich in düstre Wetterwolken hüllte, so trat auch hier plötzlich die Reaktion ein, der Umschlag, der noch auf jede Periode der Erhebung gefolgt ist, und bis auf den heutigen Tag ringt das Mittelalter mit dein Aufgebote aller atavistischen Kräfte gegen die Weltordnung.

Mit derselben Genauigkeit, mit welcher die winzige Quecksilbersäule im Barometerglase die Aeuderungen im ungeheuren Welträume signalisirt, zeigte auch der Mikrokosmos des Volkes die Depression des Sturmes. Es trat ein Ereignis; ein, welches das neue Gefüge der jüdischen Volksorganisativn in seinen Grundfesten erschütterte.

Von den sechs Söhnen des R. Israel hatten sich der dritte R. Ber und der vierte R. Nachnm in Rumänien ansässig gemacht. R. Ber in Leowa und R. Nachum in Stefanesti. Schon R. Scholem von Belz hatte diese Nachricht mit Bedauern ausgenommen, daß so edle Leute sich in eine so rohe, irreligiöse Gegend verirren mußten. Auch hatte bereits R. Levy Isaak von Berdyczew vor dem Aufenthalte in Rumänien als einem unreinen, der Religiösität abträglichen Lande gewarnt. Indessen hatte sich mit der Zeit durch Zuzug aus Rußland eine bedeutende Zahl gelehrter und frommer Chaßidimgemeinden gebildet, die in stetem Kampfe mit den aller Religion und Zucht hohnsprechendenFortschrittlern" lagen. Das Wort Fortschritt" hat im Osten eine sehr genaue Uebersetzung, die heißtProstitution", alles übrige ist Kommentar.

Beide Rabbiner waren Männer von hohem Geiste und allen Vorzügen ihres Adels. R. Nachum, der in Weltflucht seinem jüngsten Bruder R. Mordchai am meisten ähnelte sein Vater nannte ihn 8^ 2111der Pfad, den

kein Segler der Lüfte kennt" hat eine Menge der geistreichsten Apercüs hinter-