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Zuruf an die israelitische Gemeinde in Frankfurt an der Oder : Des israelitischen Geistlichen Beruf und Stellung in unserer Zeit : Predigt, gehalten in der Synagoge zu Frankfurt an der Oder am Sabbath Nachmu 5600 (15. August 1840) / von Dr. Samuel Holdheim, Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinschem Landes-Rabbiner
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das Licht Mose's untergegangen war, brach das Licht Josua's an." Ich maße mir keinesweges das Recht an, Euch einen Bestimmten zu nennen, aber bitten, vermahnen will ich Euch, daß Ihr es alsbald thun möget. Wohl aber steht mir das Recht zu, über die Beschaffenheit eines geistlichen Hirten in dieser Gemeinde Euch einige belehrende Winke zu geben. Es soll ein Mann sein, an den das göttliche Wort gerichtet werden könne:tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott." Dieser Trost besteht nicht allein in dem Ausschluß, den er Euch geben wird, so oft Ihr Euch mit einer religiösen oder Gewissensfrage an ihn wenden werdet, wiewohl es ein Mann sein muß, der auch dieses in seinem ganzen Umfange zu thun vermag. Aber dieses erfüllt noch lange nicht den weiten Kreis des heiligen Lehramtes. Von selbst muß er zu Euch kommen, unaufgefor­dert muß er sich an Euer Herz drängen, um dort alle gehei­men Falten des menschlichen Lebens und Strebens zu erfor­schen und zu ergründen, um Euch Trost und Hoffnung, Be­lehrung und Erbauung zu bringen. Es muß ein Mann sein nicht nur von heiligem Schein und würdigem Aussehen, son­dern von heiligem Ernst, von würdiger Gesinnung, von höhe­rer Einsicht, erfüllt und durchdrungen von dem Ernste, von der Schwere seines heiligen Berufes. Nicht nur ein Mann, der in einer in bestimmten Grenzen eingeschlossenen, vom Le­ben und dessen reichhaltigen Beziehungen fern liegenden Lehre der größte seiner Gemeinde ist, eine Größe, die so selten er­kannt und darum noch seltener beneidet wird, sondern ein Mann ? der Lehre und der Wissenschaft, nicht nur der Lehre und der Wissenschaft einer Zeit, die längst gestorben und nur noch in der Geschichte lebt, sondern auch ein Mann der Lehre und der Wissenschaft unserer Zeit, unserer Tage, unseres Lebens, unse­res Strebens und unseres Wirkens, ein Mann auch unserer Bildung, unserer Anschauung von Gott und Welt, ein Mann,