drollige Bemerkung! als ob Ihnen denn das Andre wirklich klar geworden sei; Gezeigten ja gewöhnlich erst selbst die Ungründlichkeit und die Ignoranz der Herren Gebetbuch-Verfertiger und mußten sich darauf erst bemühen, einen andern nothdürftigen, äußerlich blendenden Grund anzugeben, der aber den genannten Herren gewiß nicht in den Sinn
gekommen ist. - Und dann, was ist das für eine sonderbare Frage?
Wenn es der menschlichen Willkühr freistehen soll, Gebete zu machen oder zu verändern, auszulassen oder hinzuzufügen, so kann man sich ja nicht verwundern, warum ein Gebet weniger da ist; im Gegeuthcil zu bewundern ist es, daß noch ein Neujahrsgebet geblieben ist,
Darauf heißt es weiter, daß im Frühgebet die fünfzehn Segenssprüche ausgelassen wären, käme daher, weil sie nicht in die öffentliche Andacht gehörten. Wiewohl nun Maimonides dies wirklich sagt, so finde ich doch im Ora ch-Chajim 46,2, eine Stelle, die ausdrück-- lich besagt, daß jetzt der Gebrauch allerdings stattfinde, sie in der Synagoge der Unkundigen halber, der Reihe nach vorzutragen; der Verfasser des Orach-Chajim kannte ja wohl Maimonides so gut wie Sie ihn kennen, und achtete ihn wohl noch höher und heiliger als
Sie es bisher gethan haben, und doch schrieb er daß man sie in der
Synagoge Vorträgen soll; er mußte alsowohl seine Gründe haben um in praxi gegen ihm aufzutreten.
Nun kommt der von Samuel dem Jüngern eingeschaltete zwölfte Segensspruch, oder das Gebet gegen die Ketzer und Abtrünnigen im eignen Schooße der Glanbensgemeinde. Ich halte mich wieder an Ihre eignen Worte: „Ohne uns auf die vom moralisch religiösen Gesichtspunkte
„im Allgemeinen und nach den Grundsätzen der israelitischen Religion
„insbesondere zuwürdigende Zulässigkeit oder Verwerflichkeit eines solchen „dem israelitischen Gebetgeiste durchaus widersprechenden Gebetes hier „einzulassen, wird doch jeder noch so Befangene wohl eingestehen, daß „die specielle Beziehung, die der Entstehung dieses Gebetes zu Grunde „liegt, nämlich als Abwehr gegen die Sadduzäer heute in keinem Falle „mehr existirt, und wenn es beibehalten wird .. ." Z uerst muß ich Sie ans einen Widerspruch in Ihren Worten aufmerksam machen; Sie wollen sich nicht auf die Zulässigkeit oder Verwerflichkeit des Gebetes
einlassen, und doch bezeichnen Sie es a pr iori al s den israelitischen Ge- betgeiste durchaus widersprechend? Und dann, Herr Rabbiner, welcher
Inconsequenz haben Sie sich schuldig gemacht? Sie, der Sie bisher bemüht waren, alle, auch selbst die willkührlichsten Veränderungen des Gebetbuches, mit dem Talmud in Einklang zu bringen, treten urplötzlich gegen ihn auf, und beschuldigen ihn, er habe ein Gebet angeführt und auch
gebilligt, das, wiewohl ans der frühesten Zeit herstammend, sich durchaus nicht mit dem israelitischen Gebetgeiste vereinigen ließe? Woher kennen Sie denn diesen Gebetgeist, wenn jene dem Urquel des Gesetzes