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enttäuscht. Sie hatte ihn mit einem schweren Pack Kleider zurückerwartet und als er mit leeren Händen kam, wußte sie bereits, daß die Reise erfolglos war.
„Nun, Eure Reise hat nicht den gewünschten Erfolg gehabt?" fragte beklommen die Rabbinerin.
„Wie mairs nimmt," erwiederte der Gefragte. — „Die Kleider habe ich allerdings nicht. Aber die Gewißheit bringe ich Euch, daß die drei Männer ehrliche Leute sind. Ich habe Alles, was sie besaßen durchsucht und festgestellt, daß Alles ihr Eigenthum, jedenfalls aber nicht das Eurige ist."
„Gott sei Dank!" erwiederte die Rabbinerin. „Ich habe also wirklich unschuldige Menschen fälschlich im Verdacht gehabt? Wie kann ich das wieder gut machen?"
„Jede Sünde macht man wieder gut, indem man sie zunächst bereut und den festen Vorsatz faßt, sie nicht wieder zu thun," entgegnete Rabbi Jesaja.
„Ich werde gewiß, soweit ich kann, Alles wieder gut zu machen suchen," erwiederte die biedere Frau, „und gewiß keinen Menschen mehr unschuldiger Weise verdächtigen."
„Das ist brav gesprochen," eriederte der Rabbi, „aber es - ist ungemein schwer, einen solchen Vorsatz treu zu erfüllen. Es treten gerade nach dieser Seite hin so schwere und so häufige Versuchungen an uns heran, daß auch die festeste Standhaftigkeit sich ihnen nicht gewachsen zeigt. Beten wir deshalb doch täglich im Morgengebet, daß uns Gott nicht in Versuchung führen möge, und wir wollen diese Bitte von morgen ab inniger als je zum himmlischen Vater emporsenden. Aber jetzt ist es Zeit zur Ruhe; Proßnitzer ist gewiß müde und auch Du bist durch die Aufregung des Tages mehr als sonst der Ruhe bedürftig."