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Hättet das Maß der Finger doch viel besser feststellen können, wenn jeder die Hand auf ein Blatt Papier gelegt und um die Form der einzelnen Finger durch einen Farbenstift oder mit Tinte umschrieben hätte. Auf diesen Staub muffen sich die Spuren doch leicht verwischen, während man sie hier allezeit scharf gezeichnet vor sich hätte."
Einen Augenblick schwankte Rabbi Jesaja, ob er seinen treu erprobten Schülern nicht die volle Wahrheit mittheilen sollte. An ihrer Verschwiegenheit und Zuverlässigkeit war nicht zu zweifeln und ihre Mitwirkung bei der Suche nach dem Dieb war nicht zu unterschätzen. Aber er entschloß sich füglich doch, die Sache zunächst für sich allein zu behalten und bis auf Weiteres nicht einmal seiner Frau etwas davon zu sagen. Er fürchtete, daß Jeder, der von der Sache Mittheilung erhielt, der Gefahr der Sünde ausgesetzt ist, Jemanden schuldlos zu verdächtigen. Tief im innersten Herzen hatte Rabbi Jesaja aber noch einen anderen Grund für sein Schweigen seinen Schülern gegenüber; aber diesen Grund gestand er sich selber nicht einmal ein. Der Diebstahl mußte allem Anschein nach von einem Menschen begangen sein, der genau mit der Häuslichkeit vertraut war, wer konnte wissen-aber den Ge
danken sprach Rabbi Jesaja nicht nur nicht aus, er wies ihn weit von sich, als er sich darauf ertappte. Aber gänzlich los werden konnte er ihn nicht. Er hielt es jedenfalls für geratener, seine Nachforschungen für's erste allein und auf eigene Faust fortzusetzen, und war deshalb einen Moment lang in Verlegenheit, was er auf den erhobenen Einwurf gegen sein Verfahren erwiedern sollte. Es wurde jedoch dieser Mühe durch eine Bemerkung Proßnitzers enthoben.
„Auf diese Weise hätte man das Maß der Finger nicht