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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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Gastfreundschaft zieht uns alle Vagabunden der Welt nach Frankfurt ; warum solltet Ihr nicht von diesem Auswurf noch bestohlen werden? Mich wundert's nicht so sehr, daß Euch Spitzbuben bestohlen haben, als ich mich wundere, daß sie Euch noch etwas übrig gelassen haben. Wenn Ihr mir versprecht, Euch an dem Geschehenen ein warnendes Exempel zu nehmen und dieser Wirtschaft ein für alle mal ein Ende zu' machen, dann will ich alle Macht aufbieten, daß Ihr Eure Sachen wie­derkommt und daß der Dieb am Galgen baumeln soll."

Verzeiht, gnädiger Herr," erwiederte Rabbi Jesaja,so habe ich's nicht gemeint. Ihr kennt das namenlose Elend meiner Glaubensgenoffen, die ein finsteres Vorurtheil von Stadt zu Stadt und Land zu Land treibt. Wenn ich den Einen oder Andern dieser Unglücklichen in mein Haus ausnehme und ihnen, soweit es meine schwache Kraft vermag, mit Rath und That beizustehen suche, so kann Euer edles Herz diese Handlungs­weise nicht zum Verbrechen stempeln wollen. Hierüber haben wir uns ja des öfteren bei früheren Anlässen so eingehend aus- sprochen, daß dieser Umstand heute um so mehr außer Betracht bleiben kann, als es ganz zweifellos feststeht, daß unter den Fremden, die bei uns kommen und gehen, der Thäter nicht ge­sucht werden kann. Es ist Niemand von diesen Fremden je allein in meiner Lernstube gewesen. Ich selbst halte mich den größten Theil des Tages und der Nacht darin auf: die That kann nur von Jemand begangen worden sein, der mit unserer Häuslichkeit überaus vertraut ist. Aber wer auch immer der Thäter sei, ich möchte nicht, daß er bestraft wird. Ich habe also «ine doppelte Bitte. Erstens, daß mir mit Hilfe der Polizei wein Ergenthum womöglich wieder zugestellt wird und zwei­tens, daß der Thäter nicht der Strenge des Gesetzes verfällt.