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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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dessen Augen abgelesen hätte, richtete er sein Bestreben daraus, zunächst diese Befürchtungen zu zerstreuen. Er brach das be­ängstigende beiderseitige Schweigen mit folgenden Worten, aus denen aber die seelische Erregung herausklang, trotz aller Mühe sie zu bemeistern.

Wir stehen hier vor einem Räthsel, für das selbst Ew. Excellenz keine Lösung zu finden scheinen. Ich selbst habetncht einmal im Augenblicke die Ruhe und Fassung, auch nur danach zu suchen. Wie sich aber dieser wunderbare Vorfall auch auf­klären möge, so muß ich Euch, gnädiger Herr, um Verzeihung biiten, daß ich Euch umsonst hierher bemüht habe. Ich hätte, bevor ich Euch mit der ganzen Sache behelligt habe, die Pflicht gehabt, mich noch einmal von der Thatsache zu überzeugen. Wenn ich auch Hochdero gütige Bereitwilligkeit sich selber mit mir in diese Räume zu begeben, devotest abgelehnt habe, so hätte ich es doch nachdrücklicher thun müssen, als es geschehen ist. Jetzt aber muß ich mit aller Innigkeit und Unterthänigkeit bitten, mir Hochdero Beistand weiter zu leihen, damit wir eine Lösung dieses Räthsels finden. Ihre bloße Anwesenheit hat genügt, um mir mein verlorenes Gut wieder zu schaffen, Hoch­dero Scharfsinn wird sicher auch den Weg finden, auf dem sich dieses Geschehniß vollzogen hat. Darf ich es wagen, um Hoch­dero Beistand zu bitten?"

So spricht kein allmächtiger Schwarzkünstler; das fühlte Herr von Dingeldein aus jedem Laut dieser vibrirenden Stimme heraus. Dazu that es seiner allmählich wieder er­wachten Eitelkeit wohl, daß der Rabbi der bloßen Anwesenheit des Stadthauptmannes die plötzliche Auffindung des ge­stohlenen Gutes zuschrieb. Er ging hastigen Schrittes einige Minuten in dem großen Gemach auf und ab. Aber mit jedem

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