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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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wenig aus, daß er sich ein Schwert wünscht, um ihm den Garaus zu machen. Ist dasselbe nicht auch bei mir der Fall? Ich soll der große Kabbalist sein, dem die Geheimnisse des Himmels und der Erde unterthan sind, und wenn ich einen Diebstahl entdeckt wünsche, muß ich mich an das Haupt der

Frankfurter Polizei wenden? Wenn ich --"

Ihr habt Recht," unterbrach ihn leutselig der hohe Gast. Verzeiht den schwarzen Verdacht, den ich in einem Augenblick der Erregung aufkommen ließ. Jedoch als Beamter ist es meine Pflicht, jede Seite einer Möglichkeit in's Auge zu fassen. Aber ich gestehe, daß eine solche Annahme unsinnig und un­möglich ist. Denkt Ihr über die Sache nach und auch ich werde das meinige thun. Aber für jetzt bin ich keiner ferneren Thätig- keit fähig. Das Vorkommniß hat mich fo erregt, daß ich der Ruhe bedarf und ich denke, Ihr seid in der gleichen Lage. Ich begebe mich nach Hause und komme sofort wieder, wenn ich eine Spur entdecken sollte. Sollten aber Eure Bemühungen früher von Erfolg sein, so erwarte ich Euch bei mir. Bis wir uns je­doch wieder sprechen, ist es rathsam, daß niemand etwas von bem Vorgesallenen erfährt. Theilt Ihr diese Ansicht?"

Vollkommen," erwiederte der Gefragte.

Nun, denn Gott besohlen! Vielleicht bringen schon die nächsten Stunden einen Schimmer in dieses geheimnißvolle Dunkel! Lebt wohlbehalten, auf baldiges Wiedersehen!"

Mit einem Händedruck verabschiedeten sich die beiden Männer. Rabbi Jesaja schloß seinen Schrank wieder ab, und Herr von Dingeldein ließ sich in seiner Sänfte zurückbringen, aber nicht in sein Amtszimmer, sondern in seine Wohnung, wo er die Ruhe suchte, die ihm dieser merkwürdige Vorgang ge­raubt hatte.

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