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Mit diesen Worten schritt der Stadthauptmann klirrenden Schrittes der Thüre zu, öffnete und schloß dieselbe so heftig, daß Rabbi Jesaja über die Ungnade, in der er bei Herrn von Dingeldein gefallen war, nicht im Zweifel sein konnte.
Einen Augenblick machte sich Rabbi Jesaja Vorwürfe über seine Art und Weise, wie er dem Stadthauptmann entgegen getreten war. Aber er sagte sich füglich, daß es nicht in seiner Macht lag, dem Mann die Beute zu entreißen, die er seinem Polizeigenie zuschrieb und daß jede andere Art der Behandlung ebenfalls zu keinem anderen Resultate geführt haben würde. Der eine Fehler, daß er die Polizei in's Vertrauen gezogen hatte, zog alles andere mit unerbittlicher Konsequenz nach sich; daran ließ sich nichts ändern. Er mußte jetzt den Richter zur Milde zu bestimmen suchen. Das war der nächste durch die Verhältnisse gebotene Schritt.
Rabbi Jesaja hatte jedoch nicht lange Zeit, diesen Gedanken nachzuhängen. Kaum hatte ihn Herr von Dingeldein verlaßen, als die Rabbinerin mit verstörter Miene bei ihm eintrat.
„Weißt Du schon," sprach sie mit von Thränen verhaltener Stimme, „daß der Hausbochur von der Polizei in Ketten geschlossen in's Gefängniß abgeführt wurde, daß die ganze Judengasse von dem Silberdiebstahl spricht, der bei uns begangen wurde, und daß Proßnitzer der Dieb sein soll?"
„Hältst Du es für möglich, daß Proßnitzer der Dieb sein kann?" fragte der Rabbi.
„Eher hielt ich mich dafür, als diese brave, treue Seele."
„Das war brav gesprochen. Ich bin ganz Deiner Meinung. Nun gehe aber zunächst hin und erzähle jedem, der es hören will und vor Allem jedem, der es nicht hören will, daß
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