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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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nung über seinen Hausbachur. Einen Augenblick dachte er daran, selber zu dem Trödler Franchetti zu gehen und sich das Signalement desjenigen angeben zu lassen, von dem dieWolf Proßnitzer" Unterzeichnete Schrift herrührte. Aber abgesehen davon, daß dis große Mehrzahl dieser Trödler Hehler und Mithelfer an den Diebstählen waren, die sie in ihren Gewölben zum Verkauf ausboten, so wollte er einen Schritt für's erste vermeiden, welcher dem Sensationsbedürfniß der Judengafse neue Nahrung gegeben hätte.

Da zuckte ihm plötzlich ein erleuchtender Gedanke durch den Kopf! Er hatte ja ein unfehlbares Mittel in Händen, die Unschuld Proßnitzers unzweifelhaft nachzuweisen; die Hand­spur im Staube des obersten Schrankbrettes.

Behutsam holte er das Brett herunter; die Umrisse waren noch so scharf kenntlich, als vor vier Wochen. Aus einem an­deren Schranke holte er das Brett, auf welchem sich die Hand­abdrücke Proßnitzers und die feiner Genossen befanden. Beide Bretter hielt der Rabbi an's Fenster, um sie zu vergleichen. Sein treues Gedächtniß kannte noch die Hand eines jeden ein­zelnen Schülers. Ein flüchtiger, vergleichender Blick und die Bretter fingen an, in den Händen des Meisters zu zittern. Das war der Abdruck von Proßnitzers Hand, so treu, so über allen Zweifel erhaben, daß die erschütternde Gewißheit die Hände des Meisters lähmte und die Bretter polternd zur Erde fielen. Als fürchtete er, die Bretter könnten zu Verräthern werden, fuhr er eiligst mit einem Tuch darüber und verlöschte jede Spur. Er bedurfte ihrer nicht mehr; jetzt kannte er den Dieb und konnte für seine Unschuld nicht mehr in die Schranken treten.

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