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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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strafung des verdächtigen Jnhastirten, da es sich herausgestellt hat, daß meine gestohlen geglaubten Gegenstände sich unversehrt an Ort und Stelle befinden."

Das ist sehr schön. Die Untersuchung wird das ja fest­stellen. Erweist sich die Unschuld Eures Lehrers, so wird er keine Stunde zurückgehalten, im anderen Falle müssen wir dem Gesetz seinen Lauf lassen."

Nehmen wir an, Herr Oberrichter, daß der Jnhaftirte unschuldig sei, so muß er bis zu seiner Freisprechung eben un­schuldigerweise im Gefängniß und in der quälenden Ungewiß­heit über den Ausgang seiner Sache verbringen; das möchte ich dem armen Menschen ersparen. Ich ließe es mich gerne eine große Summe, bis zu tausend Gulden, kosten, wenn der gefäng­lich Eingezogene sofort auf freien Fuß gesetzt werden könnte."

Bei diesen Worten fuhr der Oberrichter zornig empor:

Ihr wagt es, mir eine Bestechung anzubieten? Ich hätte das Recht, Euch daraufhin sofort selbst zu verhaften, zumal mir diese angelegentliche Verwendung für den Dieb ganz ungeheuer­lich vorkommt."

Verzeiht, gnädiger Herr! Ich bin selbst Richter in meiner Gemeinde. Als solcher weiß ich, wie das uns in gleicher Weise heilige Gotteswort jede Bestechung verbietet. Das Gotteswort bezeichnet als Folge der Bestechung, daß sie die Augen der Wei­sen blendet, und die Worte der Gerechten verdreht. Noch nie­mals ist mir die tiefe Wahrheit dieses Wortes so in ihrer ganzen Bedeutsamkeit zum Bewußtsein gekommen, als in diesem Augenblicke, wo ich sehe, daß der bloße Gedanke an die Möglich­keit einer Bestechung genügt, um den Blick eines unserer wei­sesten Richter damit zu trüben, daß er den Rabbiner der Frank­furter Judengemeinde einer solchen Sünde fähig Hält. So