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strafung des verdächtigen Jnhastirten, da es sich herausgestellt hat, daß meine gestohlen geglaubten Gegenstände sich unversehrt an Ort und Stelle befinden."
„Das ist sehr schön. Die Untersuchung wird das ja feststellen. Erweist sich die Unschuld Eures Lehrers, so wird er keine Stunde zurückgehalten, im anderen Falle müssen wir dem Gesetz seinen Lauf lassen."
„Nehmen wir an, Herr Oberrichter, daß der Jnhaftirte unschuldig sei, so muß er bis zu seiner Freisprechung eben unschuldigerweise im Gefängniß und in der quälenden Ungewißheit über den Ausgang seiner Sache verbringen; das möchte ich dem armen Menschen ersparen. Ich ließe es mich gerne eine große Summe, bis zu tausend Gulden, kosten, wenn der gefänglich Eingezogene sofort auf freien Fuß gesetzt werden könnte."
Bei diesen Worten fuhr der Oberrichter zornig empor:
„Ihr wagt es, mir eine Bestechung anzubieten? Ich hätte das Recht, Euch daraufhin sofort selbst zu verhaften, zumal mir diese angelegentliche Verwendung für den Dieb ganz ungeheuerlich vorkommt."
„Verzeiht, gnädiger Herr! Ich bin selbst Richter in meiner Gemeinde. Als solcher weiß ich, wie das uns in gleicher Weise heilige Gotteswort jede Bestechung verbietet. Das Gotteswort bezeichnet als Folge der Bestechung, daß sie die Augen der Weisen blendet, und die Worte der Gerechten verdreht. Noch niemals ist mir die tiefe Wahrheit dieses Wortes so in ihrer ganzen Bedeutsamkeit zum Bewußtsein gekommen, als in diesem Augenblicke, wo ich sehe, daß der bloße Gedanke an die Möglichkeit einer Bestechung genügt, um den Blick eines unserer weisesten Richter damit zu trüben, daß er den Rabbiner der Frankfurter Judengemeinde einer solchen Sünde fähig Hält. So