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„Das nicht," erwiederte Rabbi Jesaja , „Du weißt: En Schliach lidbar Awera. Für jede sündhafte Handlung ist ausschließlich Derjenige, der sie begeht, verantwortlich. Ich werde fasten, und Du wirst in der ganzen Zeit mit gesteigerter Hingebung die Armen bedenken, die unser Haus aufsuchen. Beide wollen wir aber mit der ganzen Innigkeit unseres Herzens zu Gott beten, daß er Alles zum Guten lenken möge. Wisse, daß das Gebet einer Frau, welche Armen Speise und Trank reicht, leichter Erklärung findet, als das des Mannes, der nur mit Geld den Armen unterstützt, das der Arme erst weggeben muß, um die Befriedigung seiner Bedürfnisse zu ermöglichen."
„Ach werde Deine Weisung genau befolgen, und mit Dir diese schwere Sorge Gott anheimstellen, aber nun ruhe wenigstens einige Stunden. Wenn Du nicht durch Speise und Trank Deinen Körper stärken willst, so thue es durch einen erquickenden Schlaf. Ach werde bis zum Abend Niemanden zu Dir lassen."
Rabbi Jesaja fühlte das Bedürfniß nach Ruhe, aber er konnte sie nicht finden. Was konnte Proßnitzer bewogen haben, eine solche That zu begehen? Warum hat er das Silber wieder zurückgebracht? Und wenn er an den Galgen käme? Wie könnte ich dem letzten Bettler meiner Gemeinde je wieder unter die Augen treten? Und wenn selbst Menschen mir verzeihen, wie könnte ich das Geschehene je vor Gott verantworten?
Diese und ähnliche selbstquälerischen Fragen ließen ihn nicht zur Ruhe kommen, und als die Natur ihr Recht gebieterisch geltend machte, und er in einen leisen Halbschlummer verfiel, verfolgten ihn noch schreckliche Traumbilder, so daß er mit lautem Aufschrei aus seiner Ruhe emporsuhr.
So vergingen drei qualvolle Tage. Am vierten Tage lkurz nach dem Morgengebet trat ein Gerichtsbote ein und über-