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reichte ein versiegeltes Schreiben des Oberrichters. Mit zitternder Hand öffnete es Rabbi Jesaja und las es in Gemeinschaft mit seiner Gattin. Der Oberrichter theilte darin mit, daß Prcßnitzer die That eingestanden habe. Als Motiv für dieselbe habe er angegeben, fein Vater, der angeblich ein reicher Kaufmann in Böhmen sei, habe ihm geschrieben, wenn er bis zu einem gewissen Zeitpunkte nicht 2000 Gulden austreiben könne, so sei er geschäftlich ruinirt. Es sei aber sicher, daß er die Summe 14 Tage später wieder Zurückzahlen könne. Statt sich für diese Summe bei Frankfurter Geldleuten zu verwenden, hat der Sohn das Silber des Rabbiners gestohlen, habe 2000 Gulden darauf geliehen, welches Geld er feinem Vater geschickt haben will. Er habe ganz kurze Zeit darauf das Geld von seinem Vater zurückerhalten, das gestohlene Silber damit ausgelöst und es wieder an seinen Platz zurückgestellt. Der Richter habe die mildesten Umstände walten lassen, so daß der Dieb nicht an seinem Leben gestraft worden sei. Es wurde ihm in vergangener Nacht das linke Ohr abgeschnitten und dann erfolgte die Ausweisung aus dem ganzen Frankfurter Gebiet unter Androhung des Todes durch den Strang, falls er sich je wieder hier blicken läßt.
X.
Mit einem lauten Aufschrei sank Rabbi Jesaja auf seinen Stuhl nieder, als er diese Botschaft zu Ende gelesen hatte. Er barg sein Gesicht in beide Hände und weinte bitterlich. Umsonst versuchte ihm die edle Gattin Trost zuzusprechen.
„Das Schlimmste," sagte sie, „wie wir es gefürchtet hatten, ist, Gott sei es gedankt, denn doch nicht eingetroffen. Da er