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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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bei Nacht und Nebel über die Grenze geschafft wurde, wird auch hier Niemand in der Judengafse etwas von der entsetzlichen Strafe erfahren, die ihn betroffen hat. Du hattest ja bei Allem, was Du in der Sache gethan hast, die reinsten Motive und edelsten Absichten. Jeder andere, der ebenso gehandelt hätte, würde sich aus dieser Handlungsweise keinen Vorwurf machen, er würde noch etwas Verdienstliches darin erblicken und nicht mit Unrecht. Was nun geschehen ist, ist geschehen und ist durch unseren Schmerz nicht zu ändern. Ich bitte Dich daher, jetzt Speise und Trank zu Dir zu nehmen und Dein theueres Leben nicht länger zu gefährden."

Ich werde Deinem Wunsche entsprechen, da nun das Ur- theil erfolgt ist, und ich nur bis dahin zu fasten gelobt habe. Diese Zurückhaltung von Speise und Trank gefährdet mein Leben nicht; Du weißt, ich habe schon länger gefastet. Aber was dem armen Proßnitzer durch uns widerfahren ist, das schmerzt mich unsäglich; den Schmerz über dieses Unrecht werde ich nicht verlieren, bis es gesühnt ist. Unterschätze nicht den harten Fall; denn er ist schrecklich, nach allen Seiten hin betrachtet. Wenn man ihn auch nicht aufgeknllpft hat, das Leben haben sie ihm doch genommen. Mikzas Nefesch kechol Hanefesch, lehren die Weisen, ihr Andenken sei zum Segen. Ein Theil des Lebens ist wie das ganze Leben. Ihm ist sein Leben, sein heiteres, glückliches, geachtetes Leben für die ganze - Zeit seines irdischen Daseins genommen. Er trägt das unver- löschliche Brandmal der Diebe und Räuber an sich und wird sich in Folge dessen nie eine achtbare Stellung unter den Menschen ermöglichen können. Dabei hat er im Grunde ge­nommen ein edles Werk thun und den Vater vor Schmach und> Schande retten wollen. Freilich hat er.unrecht, hat er leicht--