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"damit entschuldigt, daß vielleicht andere ebenso und gar noch schlimmer gehandelt hätten. Der Rabbiner, der anderen als leuchtendes Vorbild vorangehen sollte, hätte am wenigsten so Verfahren dürfen, wie ich es gethan habe. Deshalb möchte ich mein Unrecht nicht beschönigen und verschleiern vor der großen Menge. Vielleicht rechnet mir Gottes Gnade diese Mißachtung, der ich mich damit aussetze, als Sühne an. Deshalb bitte ich Euch inständig, schlagt ein, um mir durch Tkias Kaf (Handschlag) zu versprechen, daß Niemand von meinem Fasten durch Euch erfährt."
„Euer Wunsch ist selbstredend für mich maßgebend," erwiderte der Angeredete, indem er seine Rechte in die dargebotene Hand des Rabbi legte. „Aber, wenn es mir gestattet ist, ein Bedenken zu äußern, so möchte ich doch zu erwägen geben, ob der von Euch vorgesehene Weg der rechte ist. Ich finde es begreiflich, daß Ihr für Euch Euere Schuld so schwer auffaßt, als Ihr es eben thut. Aber ob Ihr nicht gerade mit Rücksicht auf Euere Stellung berechtigt, ja verpflichtet wäret, der Welt gegenüber Eure Handlungsweise in einem milderen Lichte erscheinen zu lassen, darüber kann man doch wohl verschiedener Meinung sein. Wohlverstanden, ich möchte nicht, daß Ihr in Euerer Darstellung auch nur um eines Haares Breite von der Wahrheit abweicht. Aber wenn Ihr jedem, der es hören will, den Vorgang erzählt, wie Ihr ihn mir eben erzählt habt, dann kann Euch kein Unbefangener hart beurtheilen. Wenn Ihr aber selber als reuiger Büßender erscheint, was soll dann die Welt von Euch reden? Ihr aber, so sollte man meinen, seid es doch der Ehre der Thora schuldig, die Ihr als ihr berufener Lehrer und Meister vertretet, nicht in einem unwürdigen Lichte zu erscheinen. Jeder Mensch gilt in erster Reihe in den Augen der