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zu kaufen, um auf diese Weife seine Brüder zu finden, so con- trollirte Rabbi Jesaja täglich das Bureau, durch welches die nach Prag Geflüchteten untergebracht und mit dem Nöthigsten versorgt wurden. Ein einziges Mal traf er einen Menschen, dem das eine Ohr fehlte; es war ein Nichtjude, der ebenfalls wegen Diebstahls auf diese Weise verstümmelt wurde. Liebevoll nahm ihn Rabbi Jesaja in fein Haus auf und stattete ihn reichlich mit allem Röthigen aus; als hätte er an dem fremden Menschen gut machen wollen, was er dem schmerzlich vermißten Schicksalsgenossen nicht gewähren konnte.
Als Rabbi Jesaja den Vorstehern der Prager Gemeinde seinen Entschluß mittheilte, Prag zu verlassen und das heilige Land der Väter aufzusuchen, rief diese Mittheilung in dem ersten Augenblicke große Bestürzung hervor. Aber es wagte doch Niemand, den gefeierten Meister ernstlich von diesem frommen Vorhaben abbringen zu wollen.
Der erste Parnes wies auf die unsicheren Zeiten hin. „Wenn jede Reise, nach dem Ausspruch der Weisen, mit Gefahren verbunden fei," meinte er, „was solle man denn von einer so weiten Reise in solch unruhiger Zeit sagen."
Noch bevor Rabbi Jesaja auf dieses Bedenken etwas antworten konnte, ergriff der älteste Dajan (Gerichts - Assessor) das Wort:
„Meister und Lehrer, Ihr wißt, das Scheiden eines Zaddik (frommen Mannes) läßt tiefe Spuren in dem Orte zurück, den er verläßt. Daß die Krone, der Glanz, der Stolz der ganzen Gemeinde, ihr mit Euerem Weggehen verloren geht, daran möchte ich nicht jetzt erinnern. Aber wir Alle wissen, daß es lediglich Euer Sechus (Verdienst) ist, wenn unsere Ge-