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ansehen, um von ihnen loszukommen, wenn ich jetzt auf halbem Wege stehen bliebe? Ich will rein dastehen, nicht nur vor Gott, sondern auch vor Israel. Aber davon abgesehen, ich hätte keinen vernünftigen Grund, diesen Lieblingswunsch meines Lebens gerade jetzt aufzugeben, wo ich im Begriffe bin, ihn zu befriedigen. Die Gefahren der Reise kenne ich und unterschätze sie nicht. So groß sie auch sein mögen, s o groß sind sie nicht, als die unerschütterliche Gewißheit, die ich im Herzen trage, ich werde das Land unserer Väter mit Gottes Hilfe erreichen, ich werde seine Steine küssen und an ihnen mein sieches Herz ausweinen können. Sein bloßer Boden hat eine sühnende Kraft, wenn meine Füße seinen Staub berührt haben, will ich gerne sterben. —
„Dagegen räume ich gern ein, daß die Gefahren der Reise sich steigern, wenn Du, theures Weib, mit unseren Kindern die Beschwerden dieses Weges theilst. Ich werde allein reisen und Euch hier bei unseren Freunden zurücklassen. Sobald die Zeiten ruhiger und die Wege sicherer geworden sind, folgt Ihr mir nach. Inzwischen werde ich mit Gottes Hilfe vorausziehen, einen geeigneten Ort für unseren Aufenthalt aussuchen, unsere Wohnung in Stand setzen und Euch dort erwarten."
Mit von Thränen erstickter Stimme machte die edle Gattin ihr Bedenken gegen diesen Vorschlag geltend. Aber Rabbi Jesaja drang so entschieden darauf und gewann auch im Laufe weniger Tage seine Frankfurter Freunde so vollständig für diesen Plan, daß sich die Familie fügte und ihr Oberhaupt allein ziehen ließ.
Als die Stunde des Abschieds kam, wollte die Rabbinerin ihren Gatten wenigstens bis Darmstadt, der nächsten Station,
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