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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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Himmlischen, und trank nicht vierzig Tage lang, wie es die Gott dienenden Himmels-Schaaren thun. Als die Engel zu Abraham niederstiegen, thaten sie wie die Sterblichen und nahmen im Zelte Abrahams Speise an. Meine Pflicht wäre es gewesen, Eure Art, die heilige Sprache zu sprechen, vorher durch Studium mir anzueignen. Sicher hätte ich es auch ge- than, wenn ich je gedacht hätte, hier erkannt und in so fürst­licher Weise empfangen und geehrt zu werden. Ich habe ge­hofft in stiller Zurückgezogenheit, ungekannt von den Menschen, dem Studium der Thora mich hier zu widmen; ich muß Jaffa bald wieder verlassen und der überschwänglichen Ehre aus dem Wege gehen, die ich nicht verdiene.

Das wird Euch niemals gelingen," erwiederte der greise Chacham.Lehren doch unsere Weisen, daß die Ehre dem­jenigen nachläust, der sie flieht. Sie flieht aber auch den­jenigen, der ihr nachgeht. Seid Ihr also wirklich der Ehre müde, die Euch die ganze Diaspora entgegen bringt, so sucht unsere Stadt auf und damit die Ehre, die wir dem großen Meister der Thora, und dem treuen Erfüller ihrer Gebote ent­gegenbringen. Das ist das sicherste Mittel der Ehre ledig zu werden, die Euch belästigt."

Die Versammelten setzten sich nun zum Mahle nieder. Bevor sie sich wieder erhoben, hatten sie von Rabbi Jesaja das Versprechen, daß er jedenfalls eine Woche in Jaffa verweilen wolle. Es war drei Tage vor Rosch haschono. An diesem Tage wollte er ursprünglich in Jerusalem sein. Durch die in­ständigen Bitten der Gemeinde von Jaffa ließ er sich aber be­wegen, das heilige Fest bei ihr zu verbringen und in der Te- schuba-Woche nach der heiligen Stadt zu reisen, um den Jom- Kippur an der gottgeweihten Stätte der westlichen Tempel­mauer zu feiern.