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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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Ihr kennt mich wirklich nicht?" fing der Angeredete plötzlich im Deutsch der Frankfurter Judengasse zu reden an. Nun, dann will ich's Euch sagen und zeigen, wer ich bin. Ich bin Wolf Proßnitzer, Euer früherer Hausbochur, den Ihr zu Grunde richten wolltet!"

Bei diesen Worten schlug er die lange, buschige Haarlocke von der linken Schläfe zurück, welche die Stelle des abge­schnittenen Ohres vollständig verdeckt hatte und hielt die Schläfe dicht vor Rabbi Jesajas hin.

Dieser erblaßte und taumelte entsetzt einige Schritte zu­rück. Er wäre zu Boden gesunken vor Schreck, wenn er sich nicht an die Wand des unterirdischen Raumes gelehnt hätte. Einige Sekunden verharrte er schweigend, indem er die Ge- sichtszüge des Mannes mit dem Dolche musterte. Aber auch als er sich von dem ersten Schrecken erholt hatte, konnte er nichts als die Psalmen-Worte stammeln:

Gerecht ist Gott auf allen seinen Wegen, und liebevoll in all' seinem Thun!"

Was plappert Ihr da in Eueren Bart hinein?" fragte mit zornfunkelnden Augen und verächtlichem Tone der gänz­lich umgewandelte Wirth.

Gott ist gerecht, daß er die Schuld meines Lebens heim­sucht und Gott ist liebevoll zugleich, indem er mir den sehn­lichsten Wunsch meines Lebens gewährt hat, Euch noch einmal in's Auge zu schauen und Euch Abbitte thun zu können für all' das Leid, das ich Euch bereitet habe."

Ihr werdet mich durch dieses Gewinsel nicht weich machen. Mein Entschluß steht fest, Euch mit Zinsen heimzu­zahlen, was Ihr mir gethan habt. Euer Werk ist es, daß ich