Druckschrift 
Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
Seite
115
Einzelbild herunterladen

115

XV.

Während Rabbi Jesaja dieses Gebet mit heißer Inbrunst mnd unter reichlichen Thränen zum Himmel emporsandte, war die Sanduhr abgelaufen, ohne daß es der Beter merkte. Mit dem Gesicht zur Wand und dem Rücken der Eingangsthüre zu- Zewandt, hatte er auch nicht gehört, wie sich diese öffnete und Proßnitzer leise eingetreten war. Ehrerbietig blieb er einige Schritte entfernt hinter seinem Lehrer stehen und hatte so jedes Wort dieses letzten Gebetes gehört.

Vater, Vater!" schrie Proßnitzer plötzlich,Wagen Is­raels und seine Reiter! Verzeiht, verzeiht, edler, theurer Lehrer, was ich einst vor Jahren und was ich Euch jetzt gethan habe. Gestattet, daß ich zu meiner Rechtfertigung Euch mein Benehmen gegen Euch von Anfang bis auf diese Stunde er­zähle und erkläre, damit es Euch leichter fällt, mich zum Guten zu beurtheilen."

Bei diesen Worten legte Proßnitzer seinen orientalischen Ueberwurf ab und stand nun in deutscher Kleidung da; seinen .Kopfbund vertauschte er gegen ein schwarzes Sammtkäppchen und nöthigte seinen Lehrer, auf der hölzernen Bank Platz zu mehmen.

Jetzt erst erkannte Rabbi Jesaja seinen einstigen Haus- 'bcchur wieder. Aber die neue Aufregung hatte ihn derart er­schüttert, daß er unfähig war, ein Wort zu sprechen. Er ließ sich schweigend auf die Holzbank nieder, und Proßnitzer begann:

Ich habe schwer, schwer gegen Euch und Euer ganzes Haus gesündigt, und unsägliche Trübsal über die Häupter meiner edlen Wohlthäter gebracht, aber ich habe auch hart ka­lb')