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meine Aufmerksamkeit beschäftigten. Da er auf diese Weise R. Moscheh in politischen Diskussionen nicht gewachsen war, so nahm er oft zur Phantasie seine Zuflucht. Er beobachtete die Welthandel von dem Standpunkte der Klaus aus und ließ seiner Phantasie dabei oft so weiten Spielraum, daß er im Laufe der Jahre in seinen Berichten, Darstellungen und Folgerungen über alles das, was außerhalb seiner Folianten lag, sich etwas aneignete, was stark an den seligen Münchhausen erinnerte. Rabbi Moscheh war dagegen ein nüchterner Kops, der die politischen Extravaganzen seines Partners lächelnd hinnahm und sie höchstens durch eine feine, lakonische Gegenbemerkung parirte.
Einen einzigen Punkt gab es, der aus feinem Taktgefühl niemals in dem Verkehr der beiden Männer zur Sprache gekommen war, und der wie ein kalter Schatten zwischen beiden Freunden schwebte; das war die Verschiedenheit der Vermögensverhältnisse. Rabbi Joöl und Rabbi Moscheh waren beide Kinder blutarmer Eltern. Rabbi Joöl's Vater war Dienstmann und Rabbi Moscheh's Vater Hausirer. Beide waren in der Stadt geboren, in der sie auch später als Klausrabbiner angestellt wurden. Beide waren sie schon als Kinder in treuer Freundschaft verbunden. Da ging eines Tages die wunderbare Mähr durch die Gemeinde, daß der Dienstmann Katzenellenbogen über Nacht ein steinreicher Mann geworden sei; aber Niemand wußte und weiß bis aus den heutigen Tag, woher dieser plötzliche Reichthum stammte. Obwohl die tadellose Ehrenhaftigkeit des alten Katzenellenbogen jeden Verdacht einer Unreellität ausschloß, obwohl selbst ein abgefeimter Spitzbube es ohne Einbruch und Todtschlag kaum anzufangen gewußt hätte, so plötzlich ein so ansehnliches Vermögen zu er-