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Oesterreich und Preußen auf den böhmischen Schlachtfeldern gekämpft wurde. Rabbi Moscheh Charif hatte für die Preußen Partei genommen, also stand Rabbi Joöl auf Seiten der Oesterreicher. Vielleicht hätten sie das Stückchen Gemoro weniger „kritisch und steinig", wie die Termini lauteten, gefunden, wenn ihre Aufmerksamkeit nicht durch die Tagesereignisse von dem ernsten Studium mehr als sonst abgelenkt worden wäre.
Es war Nachmittags 4 Uhr. Rabbi Joöl hatte sich heute etwas verspätet, und war ganz echauffirt mit einer neuen Nachricht vom Kriegsschauplatz in die Klaus gekommen. „Die Preußen haben wieder eine gewaltige Niederlage erlitten," mit diesen Worten war Rabbi Joöl eingetreten und traf seinen Freund bereits vor den geöffneten Folianten. „30 000 Todte, 20 000 Gefangene, 10 Fahnen und 126 Kanonen verloren, das setzt sich nicht in die Kleider," meinte Rabbi Joäl und firirte dabei die Mienen seines politischen Gegners, um den Eindruck zu konstatiren, den diese Nachricht offenbar bei ihm machen mußte.
Als Rabbi Moscheh ganz kalt blieb und nichts darauf er- wiederte, fühlte sich Rabbi JoG verpflichtet, den Eindruck seines Berichts noch durch ein paar kräftige Worte zu unterstützen, indem er die Möglichkeit andeutete, daß noch eine solche Schlappe genügte, um den Krieg zu beendigen. Rabbi Moscheh, der seinen Freund kannte und wohl wußte, daß es ihm in politischen Dingen um eine Handvoll gewonnener oder verlorener Schlachten nicht ankam, glaubte diese offenkundigen Münch- hausiaden nicht besser, als durch völlige Nichtbeachtung widerlegen zu können. Er that so vertieft in einen schweren Mahram Schiff, als ob er von alledem kein Wort gehört hätte. Rabbi JoG deutete dieses Schweigen als Zeichen der Unfähig-
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