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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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durchsprechen und unseren Entschluß fassen. So viel kann ich Ihnen aber jetzt schon sagen, ich habe eine Ahnung, ja, ich darf sagen, die Gewißheit, die Sache muß einen guten Ausgang nehmen. Wir haben einen großen Gesetzeslehrer Namens Rabenu Moscheh ben Maimon wir nennen ihn nach den Anfangsbuchstaben seines und seines Vaters Namen kurz: Rambam welcher sagt, daß von der Wohlthätigkeit, die Je­mand an Andern übt, noch nie etwas Böses erfolgt sei. Eine so selbstlose, verdienstvolle Handlungsweise, wie Ihr sie da ge­übt habt, kann nicht mit einem so schwarzen Verdacht endigeim Euer gutes Recht wird sicher zu Tage treten und Ihr werdet statt Schande Ehre und Anerkennung um so sicherer davon tragen, je weniger Ihr ja danach gestrebt habt. Und nun guten Muthes, ehrwürdiger Herr, sobald ich frei bin, spreche ich wieder vor."

Sichtlich beruhigt reichte der ehrwürdige Geistliche seinem jüdischen Freunde die Hand zum Abschiede. Er war von Allem, was in den letzten Stunden auf ihn eingestürmt war, so zerstreut, daß er den verhängnißvollen Brief noch immer in der Rechten hielt, die er dem Freund zum Handschlag hinge­halten hatte.

Bensew nahm den Uriasbrief aus der Hand des Pfarrers und sagte:

Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich den ganzem Wisch sofort verbrennen, das würde Sie ohne Zweifel mehr beruhigen, als wenn Sie ihn immer von neuem durchlesen. Da Sie das aber wahrscheinlich doch nicht thun, so will ich ihn wenigstens zu mir stecken und ihn zu den beiden Büchelchen legen, bis wir wieder zusammen kommen. Es ist bei mir viel, bester aufgehoben, als bei Ihnen."