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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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werfen könnte. Wenn es erlaubt ist, will ich Alles erzählen, wie es in Wirklichkeit ist."

Bis dahin hatte Bensew noch immer an der Thüre ge­standen. Jetzt erst lud ihn der Herr Prälat ein Platz zu nehmen und ihm ohne Rückhalt Alles zu erzählen, was er auf dem Herzen habe.

Dankbar leistete der Aufgeforderte Folge und schilderte die Biederkeit seines Pfarrers im allgemeinen und die seltene, wahrhaft väterliche Fürsorge, die er besonders den drei ver­lassenen Waisen zugewendet habe, wie schwer ihn daher die ungerechte Verdächtigung traf, als welche er die Rüge seiner Vorgesetzten Behörde ansehen mußte.

Aufmerksam hörte ihm der greise Konsistorial-Präsident zu; das Lächeln der anwesenden Damen war längst einem un­gekünstelten Erstaunen über das unerhörte Vorkommniß ge­wichen, daß ein durch die christliche Behörde angegriffener Pfarrer in einem fremden Dorfjuden einen so warmen Ver- tbeidiger fand.

j,Jch will schon glauben," bemerkte Herr Prälat Schellen­berg, als Bensew geendigt hatte,daß Er von der Unschuld seines Klienten überzeugt ist, aber ich bin es nicht. Es liegt uns eine Klage vom Vorstand des dortigen Waisenamts vor, die in allen Einzelheiten glaubwürdig erscheint, und wenn wir auf die Beschwerden der zuständigen Behörde nicht mehr hören, sondern unser Ohr einem gänzlich unbekannten Hebräer zu­neigen wollten, wohin sollen wir dann kommen?"

Darauf erzählte Bensew, wie der Ankläger selber ein Interesse daran habe, den Pfarrer zu verleumden, und zog da­bei zur Beglaubigung die beiden Dokumente aus der Tasche.