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Der Pfarrer schlug sich mit der flachen Hand ärgerlich auf die Stirn.
„Ich habe ja daran gar nicht gedacht; aber es ist doch schade, daß wir Beide nicht einmal ein Glas Wein zusammen trinken können! Es wäre doch schön, wenn ich's noch erlebte, daß diese Scheidewand fiele, die uns Christen von Euch Juden so unliebsam trennt."
„Der Vater im Himmel, der Vater der Juden und Christen, soll Sie noch ungezählte Jahre in ungetrübter Frische Ihrer Familie und Ihrer Gemeinde erhalten, aber das werden Sie nicht erleben, auch wenn Sie das Alter von Methusalem erreichen. Ich sehe zudem gar nichts von der Scheidewand, von welcher Sie da sprechen. Wir haben so unendlich viel Gemeinsames, das uns in Treu und Freundschaft verbindet, daß das bischen Essen und Trinken, in dem wir uns unterscheiden, Lanz dagegen verschwindet. Man müßte dem Essen und Trinken eine viel höhere Bedeutung beilegen, als es in Ihren und meinen Augen in Wirklichkeit hat, um mit irgend einem Schein von Recht deshalb von einer Scheidewand zu sprechen. Ich kann mir z. B. nicht denken, daß die Gemeinschaft der Interessen und die innige Freundschaft zweier Christen oder zweier Juden davon berührt würde, wenn der eine ein leidenschaftlicher Verehrer von Butter, Käse, Fischen und dergleichen wäre, während der andere diese Speisen nie über die Lippen bringt. Unser Herr Rabbiner hat mir einmal erzählt, daß die alten Römer für „Essen" und für „Sein" ein und dasselbe Wort hätten. Wem Essen — Leben, und wem Leben — Essen bedeutet, der mag wohl in der Verschiedenheit von Speise und Trank eine Scheidewand erblicken, aber dazu zählen wir Beide Loch nicht. Am wenigstens könnten wir jetzt von einer Scheide-