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Sein Weg führte ihn an dem Pfarrhause vorbei, und da er den Pfarrer durch's Fenster allein in seinem Studierzimmer bemerkte, trat er, ohne zuerst sein Haus aufzusuchen, bei ihm ein trotz der vorgerückten Abendstunde.
„Störe ich nicht, Herr Pfarrer?"
„Durchaus nicht; Ihr könnt mir sogar helfen; ich suche gerade einen kernigen Text für meine Predigt, wißt Ihr einen?"
„Oh, dann störe ich doch. Ich komme dann lieber ein anderes Mal; die Sache, die ich auf dem Herzen habe, drängt nicht so sehr."
„Bleibt nur ruhig da, Bensew, und setzt Euch. Es ist ja heute erst Mittwoch; ich habe meine Sonntagspredigt schon oft später entworfen, also nur keine Umstände."
„Ich wollte Sie um einen Rath in einer Angelegenheit bitten, die nicht direkt in Ihr Fach schlägt, in welcher Sie mir aber vielleicht doch eher mit Rath und That Helsen können, als irgend ein anderer."
Nun erzählte er, wie er soeben von Gudensberg komme und dort bei dem Rabbiner von der Gefahr gehört habe, die der religiösen Zukunft der gesammten hessischen Judenheit drohe, wenn die geplante neue Synagogenordnung die ministerielle Genehmigung erhalte. Diese Shnagogenordnung sei heute Sr. Excellenz dem Minister von Hassenpflug zur Unterschrift vorgelegt worden, — von einem Federstrich des Herrn Minister hänge daher Alles ab. Wenn das Landrabbinat, welches der Erhaltung und Förderung des Judenthums dienen solle, selber dem religiösen Abfall huldigt und diese Huldigung durch eine Synagogenordnung, welche mit heiligen