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möglich, daß ich heute Abend schon Se. Excellenz vorbereiten könnte und Ihr hättet dann morgen einen leichteren Stand."
Bensew erzählte nun in seiner schlichten Weise, wie es innerhalb der deutschen Judenheit im allgemeinen und der kurhessischen insbesondere zwei verschiedene Richtungen gäbe, die sich grundsätzlich einander gegenüber stehen. Die einen seien Juden, wie es ihre Väter seit undenklichen Zeiten waren, sie führen ihre Söhne im zarten Alter von acht Tagen in das alte Abrahamsbündniß ein, tragen die Gottesschrift an den Thürpfosten ihres Hauses, sie halten die Sabbate und Feiertage heilig, legen sich die Beschränkungen auf, welche die Gesetze über Speise und Trank vorschreiben, kurz, ihr ganzes Leben bewegt sich in den Bahnen, die Gottes Wille in der niedergeschriebenen und mündlich überlieferten Thora vorgeschrieben hat.
Der Prälat stand von seinem Sitze auf und ging nachdenklich in seinem Zimmer hin und her. Dann forderte er Bensew durch eine Handbewegung zum Weitererzählen auf.
Bensew fuhr tiefausathmend fort.
„Die Andern haben sich von dem Willen Gottes und seinem Gesetz losgesagt, sie erfüllen es entweder gar nicht mehr oder'doch auf eine Weise, die der Vorschrift nicht entspricht. Sie glauben eben nicht mehr an die Göttlichkeit und Verbindlichkeit des Gottesgesetzes und erklären dasselbe für veraltet und der Reform bedürftig. Dieser Richtung huldigt ein großer Theil der Kasseler Spnagogengemeinde, sogar ein Theil der Mitglieder des Landrabbinats und leider der Herr Landrab- biner selbst."
Nach kurzer Pause fuhr Bensew fort:
„Würden diese Herren sich damit auf sich beschränken,
so ginge das Niemand etwas an, sie hätten das, was sie thun
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