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Glieder des Gottesvolkes. In dieses Heiligthum wagt das Landrabbinat einen rohen Eingriff durch seine neue Synagogenordnung. Diese Ordnung will die heilige Sprache verdrängen und durch die Landessprache ersetzen, sie streicht die heiligsten Gebete, sie verletzt die theuersten Empfindungen und glaubt — nicht mit Unrecht — wenn die Entweihung dieses Allerheiligsten erst gelungen ist, daß dann auch die Heiligkeit des jüdischen Lebens außerhalb der Synagoge dem Moloch der Aufklärung und des angeblichen Fortschrittes, der aber in Wirklichkeit ein beklagenswerther Rückschritt ist, ganz von selbst zum Opfer falle. Daß dieser Willkür nicht noch die landesherrliche Bestätigung durch die Unterschrift des Ministers werde, das ist es, worum ich Seine Excellenz ganz unter- thänigst bitten möchte."
Der Herr Prälat hatte dem Sprechenden aufmerksam Zugehört und nickte ihm nun zustimmend entgegen, als er geendet hatte.
„Ihr habt mir da Vieles gesagt, was mir ganz neu war und von dem ich glaube, daß es auch Sr. Excellenz gänzlich unbekannt ist. Ihr seid also ein entschiedener Gegner dieser Neuerer und möchtet ihrer Neuerungssucht gern einen Riegel vorschieben, nicht wahr?"
„So ist's, Eminenz."
„Da muß ich mich denn doch über Euch wirklich wundern. Wenn Ihr schon denjenigen gram seid, die nur einen Theil Eurer Gesetze nicht erfüllen, was müßt Ihr erst von uns. denken, die wir uns im praktischen Leben ja gar nicht an das Gesetz Mosis halten. Wie könnt Ihr ein Gegner Eurer eigenen Brüder sein und gleichzeitig eine so treue, aufopfernde Freund-
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