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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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Nun habt Ihr aber keine Zeit mehr zu verlieren, es ist schon neun Uhr vorbei und Ihr müßt vor Zehn im Palais des Ministers sein. Hier habt Ihr meine Karte und nun wünsche ich Euch guten Erfolg! Gott möge Euch Seine Engel voransenden, daß Ihr Gnade in den Augen des Mannes findet, in dessen fester Hand die Geschicke unseres Landes liegen!"

Gott hat ihn bereits in Ew. Eminenz Person geschickt, so daß ich mit Vater Jakob spreche:Aus Deine Hilfe hoffe ich, o Gott!"

Kurz vor dreiviertel auf Zehn stand Bensew vor dem Palais des Ministers von Hassenpflug.

Da war zunächst ein Doppelposten zu passiven, eine Passage, für welche Bensew schon seinen ganzen Muth zu­sammen nehmen mußte. Man ließ ihn zwar unbehelligt hin­durchgehen, aber die beiden Soldaten betrachteten den Juden mit Blicken, die nichts weniger als ermuthigend für ihn waren.

Bensew war noch nie in seinem Leben zwischen zwei Soldaten hindurch gegangen, und die beiden Wache stehenden Soldaten hatten auch noch nie einen Dorfjuden in das Palais Sr. Excellenz gehen sehen.

Die Equipagen und Karossen, welche vor dem hohen Portale hielten, pflegten in der Regel andere Herren zur Audienz zu führen. Neugierig blickten sie dem über den weiten Hof nach dem Palais Schreitenden nach. Jetzt kam die zweite Schwierigkeit. Dort stand ein reich gallonirter Lakai oder Portier mit einem großen Stabe in der Hand, der oben einen dicken silbernen Knopf trug. Schüchtern wagte sich Bensew heran. Aber kaum hatte er die unterste Stufe der hohen Frei­treppe betreten, als ihn der betreßte Cerberus anherrschte:

Zu wem will Er, Hebräer?"

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