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„Ich bin für zehn Uhr zur Audienz befohlen."
„Ja, was will Er denn hier, um Himmelswillen?"
„Einen Brief soll ich hier abgeben."
Bei diesen Worten überreichte Vensew das Billet, welches den Stempel des Konsistorial-Präsidenten Schellenberg trug.
Der Portier nahm gravitätisch die Adresse in die Hand. Beim Lesen derselben verloren die Züge des Lesenden ihren rohen, übermüthigen Ausdruck und nahmen die üblichen, devoten Formen an.
Vielleicht, dachte er, ist dieser Landjude irgend ein verkappter Rothschild; die Rothschilds haben ja mit dem hessischen Hof schon lange gute Beziehungen gehabt, er wurde sogar höflich, höfisch und geleitete ihn ganz unterwürfig zu der breiten Treppe, die zum Antichambre Sr. Excellenz führte; dort möge er seine Karte nur dem Huissier abgeben.
Der Letztere stand bereits an der Flügelthiire, nahm Bensew das Empfehlungsschreiben ab und wies ihn an, Platz zu nehmen und zu warten, bis er gerufen werde.
In den Vorzimmern befanden sich mehrere Herren in Frack und weißer Binde, verschiedene höhere Militärs in Galauniformen und einige elegant gekleidete Damen, welche zur Audienz geladen und für den Empfang vorgemerkt waren.
Es war Bensew nicht zweifelhaft, daß die bereits Anwesenden zuerst vorgelassen würden, und daß er noch lange werden warten müssen. Er sah sich seine Umgebung ein wenig an, sein Blick musterte den ganzen Raum, von den Weichen, türkischen Teppichen an, in welchen er mit seinen schweren, genagelten Schuhen tief eingesunken war, bis zu den herrlichen Plafondmalereien, welche die Saaldecke zierten. Dabei blieb das Auge unwillkürlich an dem hohen, mit schweren Gold-