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III.
Die Anwesenheit Jankel Goldbergers und Rabbi Löb Lembergers in der Wiener Leopoldstadt haben dem Leser den Gang der Ereignisse bereits im voraus verrathen. Das Unwahrscheinliche war eingetrosfen. Jankels Loos war zwar nicht mit dem höchsten, aber doch mit dem zweithöchsten Treffer herausgekommen. 200 000 Gulden! Als Rabbi Löb davon Jankel die Mittheilung machte, war Jankels erster Gedanke, daß Rabbi Löb ihm 400 000 Gulden unterschlagen habe. Er hatte so sicher auf 300 000 Gulden gerechnet, daß er sich das Fehlen der übrigen 400 000 Gulden nicht anders erklären konnte.
Es gelang Rabbi Löb diesen schwarzen Verdacht so vollständig von sich abzulenken, daß ihn Jankel nun endlich um Rath fragte, was er mit dem vielen Geld« anfangen solle. Rabbi Löb meinte:
„Wer aus so unerwartete Weise plötzlich ein reicher Mann geworden ist, wie Ihr es jetzt seid, der muß zuerst einmal nicht nur Maaßer (40A), sondern Chaumesch (20A>) von diesem Gelde für gute Zwecke abscheiden. Ihr habt viele blutarme Verwandte, Ihr wißt, wie arm unsere Gemeinde ist, wie schlecht es mit unseren Chebroth bestellt ist, diese sollt Ihr zuerst bedenken. Einen Theil dieses abzuschneidenden Betrages könnt Ihr Euch zurückbehalten und Mt anlegen, damit, wenn unvorhergesehene, besondere Nothfälle eintreten, Ihr etwas zu ihrer Linderung beitragen könnt. Wenn Ihr damit einverstanden seid, dann will ich Euch gern mit Rath und That beistehen, wie Ihr das übrige Geld für Euch am besten verwerthen