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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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suchten ihn auf. Kathinka und ihr Bräutigam drohten ihm mit einem Prozeß, wenn er ihnen nicht die Hälfte des Geldes herausgäbe. Obwohl er den ganzen Betrag in Rabbi Löb's feuerfesten Geldschrank niedergelegt und noch keinen Kreuzer in sein ärmliches Haus gebracht hatte, zitterte er Tag und Nacht vor Dieben und Einbrechern. Seine Ruhe war hin und es stand bei ihm fest, daß er nicht mehr länger in U. bleiben könne, was auch Rabbi Löb einräumte.

Ihr müßt weit fort, Jankel, am besten geht Ihr nach Wien, " meinte Rabbi Löb,und wenn Ihr wollt, Werde ich Euch begleiten und dort eine Wohnung und eine Beschäftigung suchen. Ihr müßt Euch, sowie Eurer Frau und den Kindern zunächst neue Kleider machen lassen, denn Euren Schabbosrock könnt Ihr in Wien nicht einmal an Wochentagen tragen."

Dieser Plan leuchtete Jankel ein uitd einige Wochen nach den Feiertagen siedelte die Famalie Jankel Goldberger nach Wien über, begleitet von ihrem treuen Mentor, Rabbi Löb Lemberger.

Als wir den beiden Männern am Anfang des vorigen Kapitels in der Leopoldstadt begegneten, waren sie eben auf der Suche nach einer geeigneten Wohnung, die sie auch bald fanden, und zwar ganz in der Nähe derSchissschul'", so daß Jankel, wie er es gewöhnt war, früh und spät das Gotteshaus zUm gemeinsamen Gebet bequem besuchen konnte. Eine geeignete Beschäftigung war schwerer fjir Jankele zu finden. Von der Kunst des Lesens und Schreibens hätte er keinen Hochschein, Rabbi Löb tröstete ihn, daß sich mit der Zeit auch ein geeignetes Geschäft finden werde. Einstweilen legte er ihm sein Geld in guten, zinstragenden Papieren an, deponirte dasselbe ber seinem Banquier, wo Jankel die fälligen Zinsen jederzeit in