Druckschrift 
Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
Seite
260
Einzelbild herunterladen

260

Söhne hatte das Beispiel Feiwels schon längst demoralisirend gewirkt. Hinter dem Rücken der Eltern hatte er ihnen klar ge­macht, wie die Religion, die sie von U. mitgebracht hatten, für dort ganz gut und berechtigt sei. Hier in Wien stelle man andere, höhere Ansprüche an die Menschen. Er rieth ihnen aus Schonung für die Eltern, diesen nichts von der neuen Offen­barung mitzutheilen, sondern äußerlich so zu leben, wie sie es bisher gewöhnt wären. Aber außer dem Hause seien sie freie Menschen und die beschränkten Anschauungen der Alten zu Hause sollten ihnen nicht die Freude am Genuß des Daseins vergällen. Diese Lehren sielen auf leider nur zu fruchtbaren Boden und machten aus ,den hoffnungsvollen Jünglingen, heuchlerische Gecken, die voll Verachtung auf ihre würdigen Eltern blickten, sich selber dagegen für ungemein gebildet und fortgeschritten dünkten.

Jankel und Gitel duldeten seufzend bei ihrem Schwieger­sohn, was sie nicht ändern zu können glaubten. Als die Hoch­zeit gefeiert war, ließ Feiwel den letzten Rest von Rücksicht fallen. Er verspottete nicht nur das Religionsgesetz, sondern auch seine Schwiegereltern, vernachlässigte seine Frau und führte sein ungezügeltes Leben fort, wie er es früher ge- than hatte.

In seinen geschäftlichen Unternehmungen war aber Feiwel so glücklich, daß selbst Jankel darüber stutzig wurde.

Wie kann ein Posche Jisroel (Abtrünniger), wie es leider unser Schwiegersohn ist, nur solches Glück haben?" sagte er oft seufzend zu seiner Frau.

Diese schüttelte bedenklich das Haupt und meinte, es könnte kein Segen darin sein.Er gpht an Schabbos aus die Börse, ich habe ihn am Schabbos schreiben, rauchen und Briefe

-»