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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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was auch in der That der Fall war. Als dieser merkte, wie es mit seinem Schwiegervater bestellt war, suchte er sich ihm zu nähern und ihn für seine Religion des Abfalls, nicht nur durch Hohn und Spott, sondern durch Mberedung zu gewinnen. Er nahm ihn einmal mit in seine Synagoge, damit er Jellinek zu­höre. Dieser predigte so fromm und feurig, wie es kaum der beste Maggid in U. zu Wege brachte. Als sie nach Haufe gingen, fragte Feiwel seinen Schwiegervater:

Nun, wie hat Dir die Droscho gefallen?"

Fein," sagte Jankel,wie ein Jid reden muß; die Wiener sind keine Narren, wenn sie so viel Aufsehens von ihrem Maggid machen; und was für Mufsar und Tauchocho in jedem Wort!"

Nun siehst Du; und dieser Maggid hat ein glattrasirtes Gesicht, wie ich es habe, ißt und trinkt was ihm schmeckt, wie ich es thue, und mir machst Du fort und fort Vorwürfe über meinen unjüdischen Lebenswandel."

Jankel wußte nichts zu entgegnen und schwieg. Aber Feiwel fuhr fort:

Es ist heute halt eine andere Zeit. Wir find allen an­deren Bürgern gleichgestellt und da wäre es sogar unrecht von uns, wenn wir uns durch Aeußerlichkeiten absonderten. Nicht auf diese Aeußerlichkeiten, auf's Herz und auf die Gesinnung kommt's an und wenn die recht sind, dann ist das andere Neben­sache. Gäbe uns der Himmel ein solches Glück, wie wir es haben, wenn er nicht selber damit einverstanden wäre?"

Jankel erzählte, nach Hause zurückgekehrt, seiner besseren Hälfte von diesem neuen Evangelium, das er soeben von Jellinek und dem Schwiegersöhne gehört hatte und meinte, sie