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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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muffe auch einmal mit in den großen Tempel und dort Jellinek hören.

Was?" antwortete Gitel,so lange ich lebe werde ich diesen Mesiß und Mediach nicht hören, denn ich sehe ein, wie gefährlich dieser Mensch ist, wenn er sogar Dich berückt hat. Und Du lassest Dir solche Flausen vormachen? Steht's nicht im Menauras Hamoaur, daß es schon in aller Zeit Leute ge­geben hat, die schön gedarschent (gepredigt) und schlecht ge­handelt haben? Und wenn unser Meschumed von Schwieger­sohn sagt: Tallis und Tefillin, koscher und treife wären nur kleinliche Aeußerlichkeiten, und es käme nur auf's Herz und die Gesinnung an, dann möchte ich ihn einmal fragen, wie's bei ihm mit dem Herz und der Gesinnung denn in Wirklichkeit be­stellt sei. Daß man ein guter Jude sein und dennoch ein gutes Herz haben kann, das wissen wir. Daß man ein schlechter Juoe sein und dabei ein schlechtes Herz haben kann, das wissen wir auch. Und wenn wir's nicht wüßten, unser Schwiegersohn hätte es uns selber durch die That gelehrt. Das, was Du mir da sagst, hat mir auch neulich unser Mendel gesagt und nun weiß ich auch, wo die neueThora " herstammt."

Wann hat Dir das Mendel gesagt?" fragte Jankel etwas kleinlaut.

Ich hatte ihn im Verdacht, daß er kein Tefillin lege und habe sie, um mich zu überzeugen, versteckt, ohne daß er sie ver­mißt hätte. Mittags kommt er nach Hause und will mir wie gewöhnlich zur Begrüßung einen Kuß geben. Mer ich wies ihn zurück und erklärte ihm, er solle sich ja nicht mehr unterstehen, mir die Hand oder die Lippen zum Kusse zu reichen, denn ich hätte mich überzeugt, daß er ein Poscheh Jtsroel sei. Als er sein Unrecht nicht mehr leugnen konnte, sagte er mir dasselbe,