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„Versündige Dich nicht, Gitel," erwiderte Jankel abtvehrend, „daß Du unseren Zustand ein glänzendes Elend nennst. Wir besitzen heute über 800 000 Gulden, alle Welt, die höchsten Finanzleute halten es für eine Ehre mit mir zu verkehren, wie viele, die weniger sind als wir, blicken neidisch zu unserer Stellung empor, die Du ein glänzendes Elend nennst. Und das kann man nicht so in den Wind schlagen, was Feiwel behauptet, wie wir solches Masol haben, obwohl wir uns wirklich von der alten Jüdischkeit mehr und mehr losgesagt haben."
Gitel traten die Thränen in die Augen als sie ihren Mann so reden hörte. Flammenden Blickes entgegnete sie:
„Also, so weit hält's schon mit Dir? Du weißt schon nicht mehr, daß Haschem boruch hu es den Schlechten auf dieser Welt oft gut gehen läßt, um sie in dieser Zeitlichkeit für das wenige Verdienstliche zu belohnen, das sie geübt? Mir würde es vor diesem „Glück" noch mehr grauen, wenn ich mich glücklich dabei fühlen würde. Wiegt der Gewinn von Hündert- tausenden wirklich den Verlust der Jüdischkeit unserer Kinder auf? Wenn uns Gott das Geld so in den Schooß wirft, obwohl wir es nicht verdienen, so ist mir das höchstens ein Beweis dafür, wie wenig Ihm an Geld gelegen ist. Aber es ist mir kein Beweis, daß Gott seine alte Thora außer Kurs gesetzt hat, sobald sie Börsenspielern unbequem geworden ist. Jankel, Du bist auf einem bösen Wege."
Und Jankel war auf einem bösen Wege. Er war nicht nur gleichgültig gegen die spezifisch jüdischen Lebenspflichten geworden, auch mit den rein menschlichen Tugenden, mit dem Herzen, mit der Gesinnung war es schlecht bestellt.
Eines Tages ließ sich ein junger Mann bei Herrn Jacques Goldberger anmelden, ohne dem Portier seinen Namen