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zu nennen. Jankele entschloß sich nur schwer, den namenlosen Fremden vorzulassen. Aber der Fremde wartete den Bescheid des Portiers gar nicht ab und trat zu Jankele in's Zimmer.
„Jankel, ich brauche mich bei Euch wohl nicht lange anzumelden, kennt Ihr mich nicht mehr?"
„Mein Name ist Jacques Goldberger," erwiderte gravitätisch der Parvenü; „Sie kommen mir allerdings bekannt vor; Ihr werther Name, wenn ich bitten darf?"
„Ich bin ja Abraham Lemberger, Sohn des seligen Rabbi Lemberger, wie geht es Eurer Frau Gitel und Malko und Mendel und Schmul?"
„Meine Frau Karoline, und meine Kinder Amalie, Manfred und Siegmund befinden sich alle recht wohl und werden sich gewiß freuen, Sie bei uns als Gast zu sehen. Was verschafft uns das große Vergnügen?"
Diese verletzende gnädige Herablassung empörte den jungen Mann, was Jankel nicht entging. Sein Scharfblick merkte sofort aus der gedrückten Haltung des fremden Gastes, daß er als Bittsteller zu ihm kam. In diesem Falle war es Prinzip bei ihm, sich Gäste dieses Schlags durch kalte Höflichkeit in gemessener Entfernung zu halten.
„Darf ich dem Herrn eine Cigarre anbieten? Ein Kraut wie dieses hat man in U. noch nicht gesehen, das Stück kostet 25 Kreuzer; ist aber unter Brüdern das Doppelte Werth."
Herr Lemberger lehnte entschieden ab, nahm sich unaufgefordert einen Stuhl und erklärte, daß er keine Aufmerksamkeit annehmen könne, bis er sich seines Auftrags entledigt habe. Sein Vater sei vor vier Wochen gestorben. Vor seinem Tode habe er ihm, dem Sohne erklärt, daß das Geschäft derart in Rückgang gerathen wäre, daß eine Zahlungseinstellung unver-