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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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Weibe von seinem Zustande Mittheilung zu machen. Seine Familie hatte keine Ahnung davon, daß sie vollständig ver­armt war. Die Schmach, ein armer Mann zu sein, war Jankel unerträglich. Er wäre vor der Sünde des Selbstmordes nicht zurückgeschreckt, hätte er nur gewußt, wie man dies aus leichte, wenig schmerzliche Art bewerkstelligen könne; aber er hatte zu wenig praktische Erfahrung auf diesem Gebiete.

Da fiel ihm plötzlich ein, einmal gehört zu haben, daß der Tod durch Kohlendämpfe eine überaus leichte, schmerzlose Todesart sei. Er nahm ein mächtiges, bis über den Rand ge­fülltes Kohlenbecken, stellte es in die Mitte seines Zimmers, schloß sich in dasselbe mit zwei Flaschen starken Tokaierwein ein und trank dieselben hastig aus, so daß er berauscht sofort in einen tiefen Schlaf verfiel, aus dem er nicht mehr zu er­wachen gedachte. Als er am anderen Morgen trotzdem erwachte, wunderte er sich, daß die andere Welt eine so ausfallende Aehn- lichkeit mit feinem Zimmer hatte. Nachdem er aber sich die Augen ausgerieben hatte und zu seinem Schrecken sah, daß er in feinem Eifer die Kohlen anzuzünden vergessen hatte, erfüllte ihn diese Wahrnehmung mit solchem Schrecken, daß er ernst­lich krank wurde.

In ihrer Bestürzung wollte Gttel rasch zu einem Arzte schicken, aber Jankel hielt sie zurück und sagte ihr, er habe mit ihr allein zu reden.

Ich fühle," Hub Jankel an,daß es mit mir zu Ende geht, und es giebt keinen Doktor, der Mir helfen kann. Schicke zur Chewra Kadischa, damit ich wenigstens mit Minjan meine Seele aushauchen kann. Aber ich kann es nicht thun, ohne Dich über unsere Lage aufzuklären. Wir sind arme, ruinirte Leute. Jede Stunde kann der Gerichtsvollzieher kommen und

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