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auf die thätige Unterstützung der Glaubensgenossen angewiesen. Die Familie war sich ihrer Dankespslicht gegen ihre Wohlthäter vollkommen bewußt und suchte durch Höflichkeit und Gefälligkeit bei jeder Veranlassung etwas davon abzutragen. Aber das Verhältniß blieb doch ein frostiges. Die Familie, mit ihrer opferfreudigen, gesinnungstüchtigen Religiosität repräsentirte einen fortwährenden, lebendigen Vorwurf für die Leichtsinnigen, in deren Mitte sie lebte, und das konnte man ihr nicht verzeihen.
Da trat vor wenigen Wochen das Gesetz der Sonntagsruhe in Kraft. Wenige Tage nach dem ersten Sonntag begegnete Herr Fürstenthal — der erste Vorsteher — Herrn Or- lowsky und klopft ihm lächelnd auf die Schulter:
„Jetzt ist's mit Ihrer Sabbatruhe vorbei; jetzt müssen Sie nun endlich auch Ihr Geschäft am Sabbat öffnen!"
Orlowsky verstand nicht. „Was ist denn passirt?" fragte er halb ängstlich.
„Nun, Sie wissen doch, daß seit vorigen Sonntag alle Geschäfte von Staatswegen geschlossen sein müssen, und Sie können doch nicht zwei Tage in der Woche feiern!?"
„Na, wenn es sonst nichts ist, das macht mich nicht zum Sabbatschänder: im Gegentheil. Der jüdische Geschäftsmann^ der bis jetzt den Sabbat entweihte, müßte ihn jetzt durch Einstellung seiner Gesch'äststhätigkeit heiligen, mehr als früher. Uns Juden verdankt doch die Menschheit das Glück und die Seligkeit eines allwöchentlichen Rühetages. Und wenn der Sabbatgeist solche allgemeine Würdigung erfährt, daß der Staat seine nichtjüdischen Unterthanen zwingt, ihren Ruhetag zu feiern, wie sollten sich die Juden nicht schämen,, ihn zu entweihen! Heute ist die Entweihung des Sabbats ein