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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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Dasselbe gehörte dem Grasen Aschinsky, der in der ganzen Gegend als rafsinirter Bösewicht gefürchtet wurde. Er verfuhr grausam hart gegen die Bauern, welche seine Leib­eigenen waren, und noch unmenschlicher gegen die Juden. Er hatte unumschränkte Gewalt über Leben und Tod in der ganzen Gegend. Der geringste Diebstähl, oft auch nur eine leichte Widersetzlichkeit gegen seine harten Anordnungen, wurde mit dem Tode bestraft. Aus seinem Schloßhos stand ein Galgen, an dem mindestens allmonatlich ein Unglücklicher aufgehängt wurde, unter dem Zudrang der ganzen Bevölkerung. Da der Bösewicht ausfindig gemacht hätte, daß das Theuerste, welches den ihm unterstellten Juden am Herzen lag, ihre Synagogen und ihr Beth Hämidrasch (Lehrhaus) sei, so ließ er die erstere demoliren und letzteres in Stall und Scheune umwandeln, kurz es gab keine Rohheit, welcher dieser Unmensch nicht fähig war und die er nicht verübte. Es gab keinen Richter aus Erden, vor den man ihn hätte zur Verantwortung ziehen können.

Auf den Gütern des Grafen Aschinsky mußten die Bauern und die Juden je nach dem Loose, das sie traf, Frohn- dienste verrichten. Am Sabbat waren die Juden selbstredend von allen Arbeiten befreit, wie es die Bauern am Sonntag waren. Bei aller Verkennung ihrer Rechte, bei aller Verge­waltigung, welche die Juden auch zu erdulden hatten, war es keinem Machthaber im russischen Reiche je in den Sinn ge­kommen, den jüdischen Sabbat anzutasten. Da geschah bei uns das Unerhörte, daß Graf Aschinsky forderte, die Juden müssen am Sabbat auf seinen Gütern arbeiten. Da der Ty­rann wußte, daß er mit seinem Befehl auf Widerstand stoßen würde, fügte er bei, daß jeder Jude sofort aufgehängt werde, der sich weigere, das auf ihn fallende Loos anzunehmen.